Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition)
blendete, sodass ich blinzeln musste. Meine Nerven waren zum Zerreißen angespannt und würden sicher gleich platzen. Nur mit größter Mühe gelang es mir, mich zu konzentrieren und mit meinem Pfeil, dem Bogen und dem Ziel zu verwachsen.
Auf einem kleineren Felsbrocken stehend, beobachtete ich, wie Typhus gleich einer Tigerin um Scharlach streifte und nach einer Bresche in deren Verteidigung suchte. Unterdessen setzten die Nirithen ihren Angriff fort. Es verging eine Minute, eine weitere brach an. Dann flackerte der silberne Kokon auf und erlosch schließlich ganz langsam. Gleichzeitig wogte graublauer Rauch über die Straße – er war alles, was von den Nirithen übrig geblieben war.
Da der Rauch auch Mithipha einhüllte, konnte ich meinen Pfeil nicht abgeben, denn ich fürchtete, einen Fehlschuss einzustecken. Die kostbare Spitze wollte ich aber nicht auf diese Weise vergeuden. Danach war es zu spät. Auf der namenlosen nächtlichen Straße übernahm das Reich der Tiefe die Herrschaft.
Mir war völlig schleierhaft, welche der beiden Verdammten begonnen hatte – aber es funkelte und donnerte derart, dass man sich wahrlich nicht beschweren konnte.
Ich wurde Zeuge des Duells dieser beiden großen Zauberinnen. Mir selbst wäre dabei nie in den Sinn gekommen zu behaupten, sie seien geschwächt. Nichts deutete darauf hin, dass diese beiden Damen schon endlose Kämpfe hinter sich hatten. Im Gegenteil: Meiner Ansicht nach hätten die zwei auch in ihrer jetzigen Verfassung noch mühelos die Katuger Berge versetzen können.
Der Himmel schien inzwischen aus Quecksilber zu bestehen, die Erde aus Glas. Obsidiansplitter pfiffen durch die glühende Luft. Flammen spien perlweiße, smaragdgrüne und rubinrote Bälle, unter der Erde wüteten Riesen. Der Tod selbst hing in einem Umhang aus purpurnem Moder über Typhus und Scharlach. Und seine bleichen Gefährten – geschwänzte, halb durchscheinende Kreaturen – kreisten über ihren Köpfen, heulend wie Sünder im Reich der Tiefe. Als eines dieser Wesen plötzlich auf mich zuhielt, verloren meine Arme jedes Gefühl, und ich hätte beinah den Bogen fallen lassen.
Ich fand mich im Herzen eines Orkans wieder, hatte keine Möglichkeit mehr, auch nur einen Schuss abzugeben. Außerdem sah ich die Verdammten nicht, denn die Explosionen ihrer Funken nahmen mir jede Sicht.
Keine Ahnung, wie viel Zeit auf diese Weise verging. Aber als das Ganze vorüber war – ebenso unvermittelt, wie es begonnen hatte –, verschlug mir das, was ich sah, schier die Sprache: Die beiden Verdammten hatten sich ineinander verkrallt und rollten gerade den Hang auf der linken Seite der Straße hinunter.
Als ich fluchend den Hügel hinunterrannte, rutschte ich auf der glühenden, inzwischen spiegelglatten Oberfläche immer wieder aus. Als ich die Straße überquerte, musste ich über die verstümmelte Leiche eines Nekromanten springen. Am Hang blieb ich stehen und spähte hinunter: Scharlach und Typhus umkreisten einander wie zwei Wölfinnen. Offenbar bewarfen sie sich unablässig mit Zaubern, sehen konnte ich aber nichts. Nur die Schilde um sie herum loderten und waren gekräuselt wie vom Wind aufgewühltes Wasser.
Jetzt drehte Scharlach den Kopf in meine Richtung. Unsere Blicke kreuzten sich – und Lahen stieß einen ohrenbetäubenden Schrei aus:
»Pass auf!«
Ich hechtete zur Seite, schlug mit der Schulter schmerzhaft auf – und hörte, wie der Schaft des Pfeils knisternd zerbrach. Die ganze Welt wurde in ein giftgrünes Licht getaucht, die Erde bebte. Ich wurde in die Luft geschleudert, ein Stein traf mich am rechten Ellbogen – und im Schmerz ließ ich den Bogen fallen.
Mit letzter Kraft gegen eine Ohnmacht ankämpfend, brachte ich mich kriechend in Sicherheit.
Am Fuß des Hangs donnerte es weiter, bis dann plötzlich Stille eintrat – die gleich darauf von Schreien, Flüchen und einem verzweifelten tierischen Gebrüll zerrissen wurde. Anscheinend hatte die Magie ausgedient, jetzt mussten die Fäuste sprechen.
Mit einiger Mühe rappelte ich mich hoch, tastete nach meinem Bogen, fand ihn aber nicht. Vor meinen Augen tanzten bunte Flecken, sodass ich kaum etwas erkennen konnte. Dann ging schon wieder irgendeine Schweinerei los. Für den Bruchteil einer Sekunde wurde ich bewusstlos und kam erst auf dem Boden liegend wieder zu mir.
Alles war still. So still, dass ich hörte, wie kleine Steine den Wall hinunterkullerten. Ich setzte mich auf und stöhnte vor Schmerz, der meinen Arm
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