Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition)
Sterngeborene?«, mischte sich Batul ein.
»Gut möglich. Was starrst du so, Mädchen?«
»Eure Maske …«, antwortete Algha, nachdem sie den Kloß in ihrer Kehle hinuntergeschluckt hatte. »Sie … sie ist sehr schön.«
Blatter lachte leise, erhob sich, trat an Algha heran, drückte mit einem ihrer aparten Finger deren Kinn nach oben und zwang sie damit, ihr in die Augen zu sehen. Erst aus der Nähe ließen sich hinter den dunklen Schlitzen die Augen der Verdammten erkennen, die unvorstellbar blau leuchteten. Sie waren wunderschön.
»Du hast ein sehr ausdrucksstarkes Gesicht, Algha. Weißt du das eigentlich? Im Übrigen hast du nichts von mir zu befürchten. Es ist eine Lüge, dass ich alle hübschen Frauen töte.« Daraufhin ließ sie von Algha ab und entfernte sich wieder. »Da hätte ich ja viel zu tun – bei all den Schönheiten, die es auf dieser Welt gibt. Wie alt bist du?«
»Achtzehn.«
»Noch ein Kind …« Blatter setzte sich wieder. »Aber du hast einen starken Willen, Algha. Das gefällt mir. Nachdem ich von Herrn Ka gehört habe, welche Scherereien er mit dir hatte, wollte ich dich gern kennenlernen. Man trifft selten eine Frau, die sich so verzweifelt zur Wehr setzt. Aber du hast mehrere Fluchtversuche hinter dir sowie einige Meuchelmörder und Funkenträger umgebracht. Und schließlich sogar einen Auserwählten.«
»Weshalb bin ich hier? Was wollt Ihr von mir?«
»Was weißt du über den Heiler?«
»Nichts.«
»Dann hör mir jetzt mal gut zu, Algha. Ich bräuchte dir überhaupt nichts zu erklären, will aber guten Willen walten lassen und dir sagen, warum du hier bist und nicht längst tot, wie es Herr Ka so gern gesehen hätte. Ich weiß nicht, was deine Schwester und diesen Jungen miteinander verbindet, aber möglicherweise besteht die winzige Chance …«, dabei führte sie Daumen und Zeigefinger sehr eng zueinander, »… dass er in Erinnerung an sie um das Leben einer anderen bangt. Genauer gesagt, um deins. Wenn ich ihn finde – und das werde ich –, meinst du nicht, dass er dann etwas gesprächiger sein wird, sobald er hört, dass auch du bei mir weilst?«
»Und wenn nicht?«
»Dann würde ich auch das überleben. Im Unterschied zu dir.«
Nach diesen Worten klatschte Blatter in die Hände. Sofort betrat Kadir den Raum.
»Ihr befehlt, o Sterngeborene?«
»Bring sie zu unserem Gast. Die beiden werden sicher einigen Gesprächsstoff haben.«
Der Nekromant packte Algha bei der Schulter und stieß sie zur Tür. Sie drehte sich jedoch noch einmal zu der Verdammten zurück.
»Darf ich Euch eine Frage stellen?«, richtete Algha das Wort an Blatter. »Meine Schwester – seid Ihr sicher, dass sie tot ist?«
»Wenn sie das nicht wäre, hätte Herr Ka sie längst gefunden.«
Danach schien Algha erneut ihres Willens beraubt. Gehorsam wie eine Marionette folgte sie Kadir. Dieser brachte sie in einen entlegenen Flügel des Hauses, der nicht sonderlich gepflegt und äußerst dunkel war. Nachdem er eine Tür mit einem Gitterfenster aufgeschlossen hatte, schubste er sie in die Zelle.
Sobald die Tür hinter Algha ins Schloss gefallen war, stieß sie einen leisen, verzweifelten Fluch aus.
Die Zelle war sehr klein und düster. In einer Ecke standen ein paar Eimer und zwei Betten. Auf einem von ihnen lagen etliche Lumpen. Über den Boden war Stroh ausgebreitet. Mit einem schweren Seufzer setzte sie sich auf das freie Bett – sprang aber gleich wieder auf, dabei einen Schrei nur mit Mühe unterdrückend.
Der Haufen Lumpen hatte sich bewegt. Eine Hand schälte sich heraus, und eine abgemagerte junge Frau stemmte sich hoch. Sie hatte wirres schwarzes Haar, ein hohlwangiges, bleiches Gesicht und riesige gerötete Augen. Mit gehetztem Blick sah sie Algha an – bis sie mit einem Mal verwundert flüsterte: »Algha?«
Diese erschauderte und trat einen Schritt näher an die andere heran. Verständnislos musterte sie ihr Gegenüber – bis sie die andere Frau erkannte.
»Mitha?! Bei Meloth! Ich traue meinen Augen nicht! Was machst du denn hier?«
Doch Mitha beantwortete die Frage nicht, sondern schüttelte nur den Kopf und murmelte leise: »Du also auch. Sie bringt dich auch um … genau wie Dagg …«
Nach diesen Worten brach sie in Schluchzen aus.
Kapitel
23
Eine geschlagene Woche lang zogen sich am westlichen Horizont noch Berge dahin, dann lösten sie sich endlich in Ebenen auf wie ein Stück Zucker in heißem Wasser. Jetzt umgaben mich Felder, die immer wieder
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