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Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition)

Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition)

Titel: Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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war, einen schneeweißen Gipfel zu erkennen, der aus unzähligen Zacken zu bestehen schien.
    »Du scheinst eine Menge übrigzuhaben für einen majestätischen Anblick«, bemerkte Garrett grinsend.
    »Er ist in der Tat überwältigend«, erwiderte ich.
    Wie hoch dieser Berg war, vermochte ich nicht einmal zu schätzen. Obwohl uns Dutzende von Leagues von ihm trennten, nahm er den gesamten südlichen Horizont ein. Damit musste er eine Höhe erreichen, die ich mir beim besten Willen nicht vorstellen konnte.
    »Das da vor uns ist – das ist doch nicht Hara, oder?«, wollte ich von Garrett wissen. »Die Wolkengipfel sind jedenfalls viel niedriger.«
    »Das ist nur ein Traum«, antwortete Garrett und brach in freundliches Gelächter aus.
    »Trotzdem hat dieser Berg doch sicher einen Namen?«
    »Das ist der Sam-da-mort … Zumindest hieß er früher so. Inzwischen bin ich leider schon lange nicht mehr in dieser Gegend gewesen. Möglicherweise trägt er jetzt also einen anderen Namen«, antwortete er. Seine Stimme hatte den ironischen Ton eingebüßt, den ich so gut an ihm kannte.
    Sie klang jetzt sehr ernst.
    »Du hast sie aus den Augen verloren.«
    Ich wusste, dass er von Mithipha sprach.
    »Ist sie so wichtig für dich? Warum eigentlich?«
    »Das wirst du verstehen, wenn die Zeit gekommen ist.«
    »Was, wenn diese Zeit nie kommt?«, knurrte ich verärgert.
    »Das glaube ich nicht.«
    Mir war klar, dass er das Thema nicht vertiefen wollte. Deshalb schauten wir beide zu diesem riesigen Berg hinüber, bis sich die Wolken wieder vor ihn schoben.
    »Weshalb bin ich hier?«, fragte ich.
    Statt zu antworten, seufzte Garrett bloß, kramte in seiner Tasche, zog eine abgegriffene Karte heraus und hielt sie mir hin.
    »Behalt die zur Erinnerung«, sagte er.
    Die Jungfrau. Die Karte zeigte Lahen, in verblassten Farben. Schweigend steckte ich sie in den Beutel, der an meinem Gürtel hing.
    »Das sieht nach einem Abschiedsgeschenk aus.«
    »Gut möglich«, meinte Garrett. »Ich habe schon fast alles getan, was ich konnte. Das heißt … man muss es anders ausdrücken: Es ist schon fast alles getan. Und viele haben daran mitgewirkt. Jetzt müssen nur noch die Schulden bezahlt werden, dann bin ich ein freier Mann.«
    Nach diesen Worten fiel er in Schweigen.
    »Weißt du was, Dieb?«, nahm ich unser Gespräch schließlich wieder auf. »Ich habe nicht die geringste Ahnung, wer du eigentlich bist. Aber mit jedem Traum wächst in mir die Gewissheit, dass du mir Lahen spielend zurückgeben könntest.«
    Er lachte – doch war es wahrlich kein fröhliches Lachen.
    »Du überschätzt meine Möglichkeiten, Grauer«, versicherte er. »Nicht einmal Meloth wäre zu dergleichen imstande. Nein, diese Angelegenheit musst du allein regeln. Und ich hoffe sehr, dass es dir gelingt.«
    Wir blieben noch eine Weile sitzen. Der Klee wogte, die Hummeln summten, der Fluss glitzerte, und über den Himmel zogen endlose Schäfchenwolken. Nichts hatte sich verändert.
    »Für mich wird es nun Zeit«, verkündete Garrett, stand auf und warf sich die Leinentasche über die Schulter. »Lass mich dir zum Abschied versichern, dass ich an dich glaube. Und auch an Lahen. Erweist du mir noch den Gefallen und passt auf Shen und Rona auf? Wenigstens für eine Weile?«
    »Das verspreche ich dir.«
    Er lächelte mich an, zeigte dann aber in die Ferne: »Sieh mal!«
    Mit zusammengekniffenen Augen machte ich im Klee eine Frau in einem purpurroten Kleid aus. Sie hatte rotes Haar.
    »Warum Ghinorha? Warum ausgerechnet sie? Wie ist es ihr gelungen zu überleben?«
    »Das werde ich dir alles beim nächsten Mal erklären. Aber jetzt muss ich gehen. Mach’s gut.«
    Er kletterte den Pfad hinauf, während ich langsam die Stufen hinunterging. Die Wolken verschwanden nun, die Sonne ging binnen eines Wimpernschlags unter. Am Himmel tauchte ein riesiger Vollmond auf, der an einen Käse denken ließ.
    In seinem hellen, silbrigen Licht funkelten außerdem Abertausende von Sternen. Es war taghell. Die Welt lag in Silber getaucht, die Schatten waren in blauer Kälte erstarrt. Eulen schrien friedlich und segelten lautlos mit breiten Flügeln über meinen Kopf hinweg.
    Ich hatte mich nicht getäuscht: Das war Lahen, auch wenn ich das kurze rote Haar und das schulterfreie purpurrote Kleid nie zuvor an ihr gesehen hatte. Sie saß unter einer alten Kastanie mit buckligem Stamm und ausgetrockneten oberen Ästen. Seit dem Moment, da ich das letzte Mal zu ihm hinübergesehen hatte, hatte er sich

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