Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition)
ein paar eisig-feurige Blätter zugelegt. Sie waren sehr klein und klirrten leise.
Ich schloss meinen Augenstern in die Arme, vergrub mein Gesicht in ihrem Haar, das mit einem Mal schwarz war wie die Nacht. Es roch nach Heidekraut, Thymian und Wacholder. Lahen umarmte mich ebenfalls und sagte: »Den ganzen Tag denke ich schon daran, wie wir uns zum ersten Mal begegnet sind. Das hast du doch nicht vergessen, oder?«
Ich schüttelte den Kopf.
Natürlich hatte ich das nicht.
Kapitel
24
Der Herbstbeginn fiel in Alsgara mit dem Feiertag des Skulptors zusammen. Die Stadt, die dieser legendäre Mann so verehrt hatte, war wie ausgewechselt. Man hatte Türen, Fenster und Straßen mit Blumen geschmückt. Auf allen Plätzen lärmte die Menge. Vor Kurzem war die Parade beendet worden, an der auch die Schreitenden teilgenommen hatten. Nun sprach die Menge begeistert über die Wunder, die sie gerade gesehen hatte.
Für den Abend hatte der Turm außerdem eine grandiose Darbietung von Illusionen versprochen. Ihr fieberten sämtliche Bewohner entgegen – was sie allerdings nicht daran hinderte, das kostenlose Essen und Trinken zu genießen und mit halbem Auge auch die Vorstellungen zahlreicher Wandertruppen zu verfolgen.
Ich kämpfte mich durch die Massen, die sich in den großen Straßen stauten, begriff aber bald, dass ich damit zu viel Zeit verlieren würde, und wich deshalb in eine Gasse aus. Auch hier gab es noch ziemlich viele Menschen, trotzdem kam ich nun zügiger voran. Als ich das Hafenviertel durcheilte, hielt ich mich von den Piers möglichst fern, denn da trieben die Seeleute sämtlicher Schiffe ihr Unwesen. Auf Schlägereien und Messerstechereien zwischen einzelnen Mannschaften, die sich bis obenhin mit Schnaps abgefüllt hatten, konnte ich jedoch getrost verzichten.
Mein Weg führte mich zur Alten Münzgasse. Der betörende Duft frisch gebackenen Brots ließ mir bereits von Weitem das Wasser im Mund zusammenlaufen. Ich stieß die Tür unter dem goldenen Schild in Form eines Kringels auf und betrat den Laden.
Ein Kerl, vorgeblich der Verkäufer all dieser Backwaren, sah mich fragend an.
»Ich werde erwartet«, teilte ich ihm mit, auf jede Begrüßung verzichtend. Mit einem Biss verschlang ich schnell ein noch warmes Hörnchen.
»Weiß ich«, brummte der Mann und rief seinen recht zweifelhaft aussehenden Kumpan aus dem Nebenraum herbei, dem er dann befahl: »Bring ihn hin.«
»Gib mir erst mal deine Waffen«, verlangte der Bursche von mir.
Ich zog mein Wurfbeil hinterm Gürtel vor und reichte es ihm.
»Dann Abmarsch.«
Ein langer, mit Mehlsäcken vollgestellter Gang brachte uns in den Innenhof. Wir durchquerten den kleinen, gepflegten Garten und hielten auf das zweistöckige Haus zu. Hier übergab mein Begleiter mich und mein Wurfbeil dem Posten am Eingang. Er stiefelte mit mir in den ersten Stock hinauf und blieb vor einer Tür stehen. Nachdem er dreimal angeklopft hatte, wartete er darauf, dass man uns hereinrief. Sobald das geschah, öffnete er die Tür und ließ mich in ein prachtvolles Zimmer eintreten, das mit einem Sdisser Teppich ausgelegt war.
»Guten Tag, Grauer«, begrüßte mich Stumpf, der an einem Tisch saß.
»Sei gegrüßt«, sagte ich der rechten Hand von Moltz.
»Gib ihm sein Beil zurück«, befahl Stumpf meinem Aufpasser.
Ich steckte die Waffe wieder hinter den Gürtel, nahm auf einem Stuhl Platz und ließ mich von Stumpf mustern. Das tat der einst beste Gijan Alsgaras denn auch. Angeblich hielten etliche Menschen seinem durchdringenden Blick nicht stand. Mich dagegen konnte er damit nach dem Sandoner Wald aber kaum aus der Ruhe bringen.
»Du bist ein Narr«, hielt er mit leicht bedauernder Stimme fest. »Wenn auch ein talentierter.«
Ich zuckte bloß die Achseln. Daraufhin schob Stumpf den Stuhl zurück, stand auf und bedeutete mir, ihm zu folgen. Über eine Treppe gelangten wir zum Dachboden. Er war ziemlich geräumig, und viele kleine, durchweg offen stehende Fenster sorgten für ausreichend Licht. Allerdings klebte überall Taubendreck. Die Vögel gurrten irgendwo im Dachstuhl. An diesem Ort wartete Moltz auf uns.
Die bereits ältere Frau im weißen Kleid samt gestärkter Schürze und einem Häubchen auf dem Kopf, unter das sie ihr Haar geschoben hatte, sprach leise mit einer Frau, die ich nicht kannte. Diese war etwa fünfundzwanzig Jahre alt, nur wenig kleiner als ich, hatte eine schöne Figur und ein ebenso schönes Gesicht. Das blonde Haar war zu einem dicken Zopf
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