Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition)
dichtes schwarzes Dunkel wahrnahm. Da jedoch klickte bereits das Schloss, der Armreif löste sich, und Shen warf das Artefakt mit unverhohlenem Ekel zu Boden.
Algha entfuhr ein Schrei des Entzückens, als ihr Funken hochloderte und seine Wärme sie durchströmte. Sie hatte das Gefühl, die eigene Gabe anzurufen, schon fast vergessen. Vor Glück schwebte sie fast über den Wolken …
»Mist!«
Dieser Fluch holte sie auf den Boden der Tatsachen zurück. Jener Mylord wich entsetzt zurück: Mit dem Armreif, der so lange um ihr Handgelenk gelegen hatte, gingen seltsame Veränderungen vor. Ihm wuchsen Beine, Zangen und ein Gliederschwanz. Als Shen kurz entschlossen ein grünes Knäuel auf den stählernen Skorpion schleuderte, zwang sich Algha erneut, nicht mit einem Zauber auf ihn einzuschlagen.
Denn bevor sie das tat, wollte sie doch wenigstens in Erfahrung bringen, warum ihr der Verräter geholfen hatte.
Der Skorpion wurde auf den Rücken geworfen, strampelte mit den Beinen und schlug mit dem Schwanz, bis er wieder auf dem Bauch lag – und entschlossen auf Algha zukrabbelte. Sie warf ein magisches Netz über ihn und setzte ihn in Brand – aber das Tier zitterte nicht einmal.
»Zauber richten bei diesem Artefakt nichts aus! Weder deine noch meine«, murmelte Shen, der sich die smaragdgrünen Funken von den Fingern strich und einen Schritt zurücktrat.
Algha folgte seinem Beispiel. In diesem Augenblick stürzte sich jener Mylord mit dem Schwert auf den
Skorpion.
Die Klinge durchschlug den Metallpanzer, das Tier wand sich in Krämpfen – und der Mann zertrat es mit den Stiefeln.
»Was war das?«, wollte er von Shen wissen, als auf dem Boden nur noch zertretene Metallplatten lagen.
»Keine Ahnung«, antwortete Shen, der die Überreste des Artefakts eingehend musterte. »Vielleicht weiß Rona mehr.«
Als Algha den Namen ihrer Schwester hörte, schrie alles in ihr auf. Indem sie großzügigen Gebrauch von ihrem Funken machte, schleuderte sie einen Zauber gegen die beiden Männer.
Der Wald wirkte fast abweisend, erstarrt in Erwartung drohender Schwierigkeiten, als würde sich ihm eine ungeheure Zahl von Holzfällern nähern. In seinem Schutz schlich ich parallel zum Pfad entlang, lauschte auf die seltenen Schreie der aufgeschreckten Vögel und hielt nach Spuren Ausschau.
Algha war Haken schlagend geflohen, ganz wie ein verängstigter Hase, der eine Meute von Jagdhunden abschütteln will. Am Ende hatte sie sich verlaufen. Sie war hierhin und dorthin geschossen, völlig kopflos, und schließlich an den Bach zurückgelangt. Dort hatte sie sich um die eigene Achse gedreht und war wieder in Richtung Weiler gestürzt.
Ich eilte ihr nach.
»Aus, du Hund!«
Yumi sprang vor mir aus dem Gras. Ihm folgte die keuchende Rona.
»Was ist?«, fragte sie mich.
»Ich habe sie noch nicht gefunden. Wie sieht es im Weiler aus?«
»Die Nekromantin haben wir erledigt.«
»Was ist mit den Verdammten?«
»Die sind spurlos verschwunden. Aber dort drüben befindet sich jemand mit einem Funken!« Sie deutete nach Westen.
»Gut, dann lass uns mal nachsehen. Aber vorsichtig. Die Spuren deiner Schwester führen nämlich auch dorthin.«
»Aus, du Hund!«
Yumi stürmte voraus, wir setzten ihm eiligst nach.
»Da tobt offenbar gerade ein Kampf«, sagte Rona nach ein paar Minuten. Ein Ast schnellte ihr ins Gesicht und hinterließ einen roten Striemen auf ihrer linken Wange. Sie presste sich die Hand auf die flammende Haut. »Ja! Das ist ein lichter Funken! Da drüben, das ist Algha!«
»Hör mal, bist du sicher, dass das deine Schwester ist?«, fragte ich, während ich über einen entwurzelten Baum sprang. Allmählich spielte ich mit dem Gedanken, den schweren Bogen irgendwo abzulegen. »Ist jeder Irrtum ausgeschlossen?«
»Ja. Das ist Algha.«
»Aber was hat sie hier verloren? In Gesellschaft der Verdammten?«
»Das werden wir erfahren, sobald wir sie gefunden haben.«
Nach einer Weile stießen wir auf einen schmalen Tierpfad, gleich darauf sahen wir Shen und Mylord Rando.
Der Ritter stand schwankend da und hielt den Kopf mit beiden Händen gepackt. Sein Schwert lag im Gras. Shen fluchte leise.
»Ein hübsches Schwesterlein hast du«, beschwerte er sich bei Rona. »Sie hat sich auf uns gestürzt wie ein wildes Tier.«
»Was ist hier vorgefallen? Wo ist Algha?!«
»Gerade eben hat sie noch gesund und munter vor mir gestanden. Wir haben sie mehr oder weniger den Klauen eines Uygs entrissen. Als Dank dafür hat sie uns mit
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