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Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition)

Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition)

Titel: Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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eines Titels zu sein und nichts mehr tun zu können, ohne eifersüchtige, hartnäckige Aufmerksamkeit zu erregen? Macht bedeutete Kraft? O nein! Diese Macht war ein Käfig und entzog ihr, Algha, jede Freiheit. Wer sich an Macht klammerte, vergaß, worum es sich bei der Gabe eigentlich handelte, versank in den Problemen des Alltags, in billigen Ränken mit anderen Schreitenden und in politischen Intrigen.
    Warum?! Warum, bei Meloth, begriff sie erst jetzt, was Gilara ihr hatte sagen wollen?! Und warum war die Leiterin der Schule ausgerechnet in dieser schweren Zeit, da Alghas Glauben an die Größe des Turms und daran, dass er nur zum Besten des Funkens handelte, derart erschüttert wurde, nicht an ihrer Seite?! Denn alles, was sie im Regenbogental gehört hatte, klang nach wie vor außerordentlich überzeugend, bedeutsam und richtig – nur hatten all diese Worte nichts mit dem wirklichen Leben gemein.
    Die Schreiben, die Burg Donnerhauer aus Korunn erreichten, troffen geradezu vor Gift, Andeutungen, Anspielungen und endlosen Intrigen. Sie bestärkten Algha noch in dem Glauben, dass es schon seit Langem nicht mehr zum Besten um den Turm bestellt war. Als sie in ihrer Ratlosigkeit einmal mit Shila über all das sprechen wollte, hatte diese sie nur mit einem höchst befremdeten Blick bedacht und gefragt: »Was hast du denn erwartet? Herzlich willkommen im Leben der erwachsenen Menschen … meine Freundin.«
    Aber Algha wollte sich nicht mit dieser Sicht der Dinge abfinden, wollte kein Stück Dreck werden wie Alia Maxi oder ein Dutzend anderer zänkischer Weiber, die ausschließlich für ihre eigene Machtgier lebten.
    Alghas Wut richtete sich in erster Linie gegen sie selbst. Wie konnte sie, die von klein auf mit Schreitenden vertraut gewesen war, ihre Gespräche gehört und die gleiche Luft wie sie geatmet hatte, erst jetzt, im Alter von achtzehn Jahren, endgültig aufwachen? Was war sie bloß für eine törichte Närrin gewesen!
    Doch besser spät als nie.
    Sie wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte, aber lügen und heucheln würde sie auf gar keinen Fall – auch wenn sie wusste, dass beides nötig war, um die Leiter des Erfolgs zu erklimmen. Um ganz oben anzugelangen, wo einem nicht so schnell die Augen ausgekratzt werden würden und wo man womöglich etwas an der bestehenden Ordnung ändern konnte.
    Ob Rona all das genauso einschätzte wie sie? Ihre Schwester war immerhin sechs Jahre älter und vermutlich schon lange nicht mehr das einfältige Mädchen, das sie, Algha, noch bis vor Kurzem gewesen war. Rona hatte dergleichen jedoch nie auch nur mit einem Wort angedeutet. Aber gut, das verstand sie. Vermutlich hätte sie im umgekehrten Fall ebenfalls gezögert, die heile Welt und sämtliche Hoffnungen der jüngeren Schwester mit eigenen Händen zu zerstören.
    Trotzdem blieb es Kleinmut, wenn auch aus Liebe, aus dem Wunsch heraus, etwas zu retten, das gerettet zu werden eigentlich nicht verdient.
    Selbstverständlich zürnte Algha ihrer Schwester nicht, im Gegenteil, sie dachte oft voller Sehnsucht an die einzige Verwandte, die ihr geblieben war. Wo war Rona jetzt? Wie ging es ihr? Hatte sie den Krieg bisher überlebt?
    Sie wischte die Krümel von den Händen und durchquerte den Garten, um auf die flache Ummauerung des alten Burgfriedhofs zuzuhalten. Auch hier begegneten ihr glücklicherweise nur selten andere Menschen.
    Schließlich lief sie an der Küche, wo sich eine ganze Meute Hunde herumdrückte, vorbei zum Innenhof. Nun musste sie die Kontrolle über sich zurückgewinnen und auf die servilen Verbeugungen einiger Offiziere reagieren.
    »Die Herrin Shila sucht Euch, Herrin«, teilte ihr einer von ihnen mit.
    Algha ließ sich durchaus Zeit, sich zu den Gemächern der Schreitenden zu begeben. An der Tür klopfte sie kurz an, trat dann aber ein, noch bevor sie dazu aufgefordert wurde.
    Der Raum war groß und prachtvoll eingerichtet, allerdings hätte Algha um keinen Preis in ihm leben wollen. Nicht nur, dass er weit oben lag und man bloß über endlose Treppen, bei denen man unterwegs alles und jeden verfluchte, zu ihm gelangte, nein, die Südwestwand bestand auch noch aus einem durchgehenden Fenster. Damit wirkte der Raum für Alghas Geschmack viel zu fragil. Obwohl der Ausblick atemberaubend war, das ließ sich nicht leugnen.
    Shila ging gerade einige Schreiben durch, sah jetzt aber auf. Sie nickte kurz und vertiefte sich dann wieder in ihre Arbeit. Selbst einen Monat nach dem Überfall des Nekromanten

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