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Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition)

Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition)

Titel: Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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sie.
    Das Fleisch lagerte unter Schnee im Freien, wo es mit Sicherheit nicht verderben konnte. Rona hatte es zudem mit einem Schutzzauber belegt, damit sich weder wilde Vögel noch Ratten an ihm vergriffen.
    Unsere Verpflegung bestand mittlerweile ausschließlich aus Pferdefleisch. Wir hatten weder Brot noch Hirse, Getreide, Salz oder Pfeffer. Denn zu unserem großen Pech herrschte in den Vorratskammern der Burg seit undenkbaren Zeiten gähnende Leere.
    Luk litt sehr unter diesen Einschränkungen und verzehrte sich nach Shaf, aber natürlich hatten wir keinen. Ga-nor fürchtete, dass wir bei dieser Art von Essen schon bald alle Blutungen im Mund bekämen und uns die Zähne ausfielen, sodass er ein paar Stunden in die Berge verschwand und mit irgendwelchen steif gefrorenen Kräutern, Wurzeln und ähnlichem Kram zurückkehrte. Yumi leistete ebenfalls seinen Beitrag und schleppte von wer weiß woher grüne Schimmelpilze an.
    Die Suppen und Kräuter brachten immerhin etwas Abwechslung in unseren Speiseplan.
    Ich unterhielt mich häufig mit Othor. Der Priester hatte eine scharfe Zunge und pflegte das Buch der Schöpfung etwas anders auszulegen, als es sonst bei seinesgleichen üblich war. In Meloth sah er eine Art alten Freund. Er redete ständig von ihm, das aber ganz zwanglos und unverkrampft, sodass ich mich nicht mal über seine Worte aufregte, wie es normalerweise während der endlosen Predigten in Alsgara der Fall war.
    Manchmal stritten wir miteinander, aber ich ertappte ihn nie bei einer Lüge. Othor wusste auf alles eine Antwort und hatte für alles eine logische und verständliche Erklärung parat, die jedoch stets ohne die Floskeln
Diese Prüfung musst du auf dich nehmen
oder
Meloth weiß, was er tut
auskam.
    Im Grunde konnten wir uns also wirklich nicht beklagen. Ich dachte jede freie Minute an Lahen, redete ununterbrochen mit ihr und meinte sogar zuweilen, sie würde mir antworten, allerdings so leise, dass ich ihre Worte nicht verstand, waren sie doch zu einem einzigen Gemurmel verschmolzen. In solchen Momenten war ich vollends davon überzeugt, den Verstand verloren zu haben.
    Meine Tage setzten sich aus diesen Gesprächen – letztlich mit mir selbst –, einer Zukunft, die es nicht mehr gab, und Erinnerungen zusammen. Oft genug verbrachte ich ganze Stunden allein oben auf dem Balkon unseres Turms, die Gesellschaft der anderen mied ich durchweg. Die ließen mich denn auch in Ruhe, nur Othor kam an den Abenden vorbei, um ein paar Worte mit mir zu wechseln.
    Bis dann irgendwann während eines heftigen Schneesturms Shen völlig aufgelöst zu mir heraufeilte: »Ness!«, rief er. »Typhus ist zu sich gekommen!«
    »Also, ehrlich gesagt«, erwiderte ich, während ich aufstand und ihm in die Augen sah, »weiß ich wirklich nicht, ob ich mich darüber freuen soll.«

Kapitel
6
    Nach einer kurzen Tauphase schlug die Kälte erneut zu. Der Teich hier im Garten von Burg Donnerhauer gefror wieder. Die Enten boten einen recht komischen Anblick, wie sie da auf dem zugefrorenen Wasser empört schnatterten und mit den Flügeln schlugen, während sie über das Eis schlidderten. Anschließend watschelten sie weiter, einen Fuß tapsig vor den anderen setzend. Ein ungemein von sich eingenommener Erpel, dessen Kopf smaragdgrüne Federn zierten, vertrieb all seine Rivalen und versuchte als Erster, ein Stück von dem Brot zu ergattern, das Algha den Tieren zuwarf.
    Die Schreitende fütterte die aufgeregten Vögel mit einem Brötchen, das sie sich vom Mittagessen aufgespart hatte. Außer ihr hielt sich niemand in dem kleinen Park auf. Wie stets genoss sie die raren Minuten der Einsamkeit. Nun brauchte sie sich nicht zu verstellen, war sie keine Herrin mehr, vor der alle Soldaten strammstanden.
    Zu ihrer eigenen Überraschung begriff sie erst jetzt, was es hieß, eine Schreitende zu sein. Im Regenbogental war ihr diese Erkenntnis noch verschlossen geblieben. Da war sie eine Schülerin gewesen, wie alle anderen auch. Hier jedoch galt jedes ihrer Worte als ehernes Gesetz. Das behagte ihr in keiner Weise.
    Die ebenso verzückten wie ängstlichen Blicke, mit denen alle sie ansahen, die Art und Weise, mit der man an ihren Lippen hing, und die hartnäckigen Versuche, jede noch so kleine Bitte von ihr zu erfüllen – und zwar, bevor sie diese überhaupt ausgesprochen hatte –, brachten sie zunehmend auf.
    Gut, sie hatte eine gewisse Macht – aber was, beim Reich der Tiefe, sollte sie damit, wenn diese Macht nur bedeutete, Sklavin

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