Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition)
befanden. Nach fünf Tagen kam er wieder, müde, aber zufrieden. In seinen Taschen entdeckten wir Brot, Mehl, gekochte Eier, stinkenden und sehr salzigen Schafskäse, Pfeffer, Salz und einen Krug mit saurem Wein.
Am Abend veranstalteten wir ein echtes Festmahl, alle freuten sich wie die Kinder über das Essen, und Othor ließ es sich nicht nehmen, Meloth mit einem ganzen Haufen Gebeten zu preisen.
Die Zeit unseres Winterlagers schien langsam, aber sicher ihrem Ende zuzugehen. Rando und Woder machten sich bereits über unsere zukünftige Route Gedanken. Ga-nor, der die Berge weit besser kannte als die beiden Ritter, warnte jedoch davor, jetzt schon an Aufbruch zu denken.
Und er sollte recht behalten. Am nächsten Tag umgaben Wolken die Gipfel, gegen Abend setzte der Schneefall wieder ein, der noch dazu so heftig war, dass wir es kaum schafften, den Hof freizufegen. Die Schneewehen an der Südmauer wuchsen bereits über diese hinaus, das Tor war unzugänglich.
Erst nach sechs langen Wochen wurde es dann überraschend wärmer, und eines Morgens weckte uns ein gewaltiges Tosen, als sich der Fluss endlich aus der Umklammerung des Eises befreit hatte.
»Da platzt doch die Kröte!«, polterte Luk, als wir einmal ein Brettspiel spielten. »Wie lange sollen wir hier eigentlich noch hocken?«
»Keine Ahnung.«
Daraufhin grummelte er nur unzufrieden.
Typhus bildete Shen und Rona weiter aus, anscheinend machten die beiden auch ganz gute Fortschritte. Zumindest schrie sie wesentlich seltener. An einem der Tage wachte auch Ghbabakh aus seinem Winterschlaf auf, und Yumi erzählte ihm unter ständigem »Aus, du Hund« die neuesten Neuigkeiten.
Lahen besuchte mich in meinen Träumen immer öfter, aber wenn ich aufwachte, erinnerte ich mich nie, worüber wir gesprochen hatten, fast als habe jemand all meine Erinnerung gelöscht.
Eines Morgens kam Typhus bereits nach Sonnenaufgang zu mir, als ich mich gerade im Bogenschießen übte.
»Wir müssen miteinander reden.«
»Nur zu.«
»Nicht hier.«
Daraufhin suchten wir uns ein abgeschiedenes Plätzchen.
»Hilfst du mir, Mithipha zu töten?«
»Du denkst an die Pfeile?«
»Selbstverständlich. Oder hast du sonst noch irgendwelche Talente, von denen ich nichts weiß?«
»Ich bin ausgesprochen charmant.«
»Daran hege ich nicht den geringsten Zweifel«, parierte sie schnaubend. »Was ist nun, hilfst du mir?«
»Ja, denn ich habe Grund, ihren Tod zu wünschen.«
»Shen hat dir wohl nichts Neues gesagt?«
»Wie oft willst du mir diese Frage eigentlich noch stellen?«, stieß ich mit einem Seufzer aus. »Nein, er weiß nicht, wie er die Wegblüten wecken oder dich in einen anderen Körper verfrachten kann.«
»Meiner Ansicht nach unternimmst du zu wenig, um ihn davon zu überzeugen, dass er sich daran erinnern muss!«
»Ach ja?!«, fuhr ich sie an. »Und was ist mit der Möglichkeit, dass du ihn einfach nicht gut genug ausbildest?! Die scheidet für dich wohl ganz aus?!«
Diese Bemerkung war zu viel für sie: Ich spürte, wie sich unsichtbare, stählerne Finger um meine Kehle schlossen. Zum ersten Mal war es mir geglückt, sie aus der Reserve zu locken.
Doch gleich darauf gab Typhus mich – wenn auch ungern – wieder frei.
»Du hast dir mir gegenüber genug rausgenommen, Ness«, zischte sie schwer atmend. »Wenn das noch einmal geschieht, könnte es sein, dass einer von uns beiden danach ohne Kopf dasteht! Habe ich mich klar und deutlich ausgedrückt?!«
»Versuch, dich besser unter Kontrolle zu halten, sonst läufst du Gefahr, dir Shen zum Feind zu machen.«
»Was soll mir dieser Grünschnabel schon anhaben?!«, hielt sie dagegen. »Ich habe fünfhundert Jahre Erfahrung auf dem Buckel. Und in all diesen Jahren habe ich die Hände nicht in den Schoß gelegt, sondern mich stets vervollkommnet. Der Junge übt sich erst seit wenigen Monaten in der Anwendung des dunklen Funkens. Er steht am Anfang eines langen Weges. Bis er Cavalars Niveau erreicht, wird noch eine Menge Zeit vergehen.«
»Was ist mit Rona?«, fragte ich, während ich mir den Hals rieb.
»Sie ist die geborene Kampfmagierin. Und sie lernt wesentlich schneller als ihr Freund. Aber ihr Funken wird nie so hell leuchten wie seiner. Vor allem, weil Talkis Umschmiedung eben doch Spuren in der Gabe hinterlassen hat. Mit etwas gutem Willen kann sie vermutlich das Niveau des Sechsten Kreises erreichen. Da dürfte dann aber auch Schluss sein.«
Als wir uns danach trennten, begab ich mich zu unserem Turm, wo
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