Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition)
stünden auf der Stelle.
Immer wieder brach jemand ein und musste den kräftigen, gierigen Pfoten des Sumpfes entrissen werden.
»Schlaf nicht!«, herrschte mich Faulpelz an, als ich beinah kopfüber im Matsch gelandet wäre. »Die Wolken kannst du dir später noch angucken. Jetzt aber brauchen wir dich, denn es gibt niemanden, der dich ersetzen könnte.«
Die Tiere, die im Sumpf lebten, hätten uns übrigens nur allzu gern verschmaust: Einmal kroch irgendein fahles Ding mit unzähligen Gliederfüßen und ekelhaft langen Bartfäden aus der Brühe, durchbohrte einen der Nordländer mit seinen scharfen Scheren und versuchte, sich samt Beute zurückzuziehen, doch ein Freund des Opfers zerhackte auf der Stelle den Chitinpanzer dieses Mistviechs. Eine geschlagene Stunde klangen uns die Schreie des verreckenden Biests noch in den Ohren.
Ein andermal sprang Mylord Rando plötzlich ein Haufen trockenes Gras auf die Schulter. Urwe schlug es weg, haute mit dem Schwert auf das Ding ein, was ihn beinahe einige Finger gekostet hätte. Der
Haufen
bestand nämlich aus einem riesigen Maul und dünnen Spinnenfüßen, die selbst im Todeskampf noch mit Begeisterung einen von uns gepackt hätten.
Den größten Schlamassel erlebten wir jedoch mit irgendwelchen Viechern, die aus dem Wasser herausflogen. Sie katapultierten sich ziemlich hoch in die Luft, legten dann die dünnhäutigen Flügel an und stürzten sich mit anschwellendem Geschrei auf uns. Ihre Hauptwaffe waren ihre messerartigen Nasen. Es verlangte uns all unser Geschick ab, diesen Angriffen von oben zu entgehen. Immerhin konnte ich eines dieser Biester abschießen, was mich jedoch einen wertvollen Pfeil kostete. Die übrigen Kreaturen beeindruckte der Tod ihres Artgenossen allerdings überhaupt nicht. Nach einer Weile bohrten sie sich zum Glück aber doch wieder in den Moosteppich, um unter Wasser zu verschwinden.
Bei einer dieser Attacken riss ein Soldat Quellos seinen Schild hoch, um den hartnäckigen
Vogel
damit abzuwehren – nur durchdrang dieser das mit Metall beschlagene Eichenholz mühelos und verletzte dem Mann sogar noch die Hand. Während Egel ihn verband, erwehrten wir uns weiterhin mit den Bögen der Bedrohung aus der Luft. Einen Soldaten büßten wir trotzdem noch ein.
Die Sumpfbewohner ließen uns erst zufrieden, als wir trockenere Abschnitte erreichten, auf denen kümmerliche Birken standen, an deren Zweigen bereits die ersten Knospen sprossen.
Hinter diesem Wäldchen endete die Straße dann.
Yumi brauchte über eine Stunde, um einen neuen Pfad zu finden. Trotzdem mussten wir noch zweimal umkehren, weil der Weg ins Nichts führte und niemand von uns es für klug hielt, durch große Wasserflächen zu schwimmen, auch wenn diese trügerisch ruhig wirkten.
Irgendwann entdeckte Yumi aber doch eine Art Weg, bei dem wir allerdings ermüdende Sprünge von einem Erdhügel zum nächsten machen mussten. Die Stöcke, die wir dabeihatten, um kleine Brücken zu bauen, halfen längst nicht immer. Oft genug brach jemand ein. Und obwohl wir alles daransetzten, diese Männer schnellstens aus dem Sumpf zu ziehen, verloren wir auf dem Abschnitt drei Gefährten. Auch ich selbst
kam einmal vom Weg ab
und versank sofort bis zur Taille im Matsch. Noch während man mir Riemen zuwarf, wurde ich bis zur Brust nach unten gezogen.
Der Sumpf, der unsere kläglichen Anstrengungen, ihn zu durchqueren, aufmerksam beobachtete, gab immer wieder ein sehnsüchtiges Stöhnen von sich. Mittlerweile war ich bereit, lieb gewordene Ansichten über Bord zu werfen: Bisher hatte ich ja immer angenommen, es gebe nichts Schlimmeres als die Heimat der Spitzohren – aber jetzt musste ich zugeben, dass selbst der Sandoner Wald nicht mit diesen ekelhaften Sümpfen mithalten konnte. Nicht mal ansatzweise.
»Was für ein scheußlicher Tag«, sagte Egel während einer Rast, als er sich zu mir setzte.
»Aus, du Hund!«, stimmte Yumi ihm zu, der auf einem Erdhügel hockte und aus dem Fell an seinem Bauch Brocken stinkenden Schlamms pulte.
»Zwei Männern faulen die Wunden. Das liegt an diesem verfluchten Wasser! Wenn das so weitergeht, muss ich Paria den Arm amputieren. Unter den hiesigen Bedingungen könnte ich ihn da genauso gut gleich töten.«
»Sprich mit Yumi«, riet ich ihm. »Er kommt aus dem Wald in der Nähe der Blasgensümpfe. Vielleicht kennt er irgendein Kraut.«
»Und wie bitte soll ich mich mit ihm verständigen?«, brummte der Medikus und stand auf. »Besonders groß ist sein
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