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Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition)

Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition)

Titel: Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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verlaufen wären, wenn ihre Schwester damals nicht an ihrer Seite gewesen wäre.
    Nun schlüpfte sie aus dem Bett, zog die Stiefel direkt über die nackten Füße und ging in vollständigem Dunkel über die knarrenden Dielen zu dem schmalen Fenster, um ihre Stirn gegen die kalte Scheibe zu pressen.
    Platsch, platsch, platsch … Die Tropfen fielen unablässig aufs Fensterbrett.
    Es war tiefste Nacht. Am Himmel standen weder Sterne noch der Mond, ein Komet oder sonst ein Licht.
    Sie dachte an Rona, die das Regenbogental am Ende des letzten Frühlings verlassen hatte, um sich nach Gash-shaku zu begeben. Seitdem hatten sie sich nicht mehr gesehen. Der Krieg hatte sie alle überraschend getroffen, und im Sommer – der schwül war, von heißen Winden beherrscht und vom bitteren Geruch vertrockneten Wermuts geschwängert – hatten sich die Ereignisse überschlagen. Eine schlechte Nachricht aus dem Südwesten löste die andere ab. Viele Lehrerinnen und Lehrer verließen das Regenbogental in Richtung Altz oder Okny, um sich dort den Nekromanten entgegenzustellen. Und all diejenigen, die auf Befehl des Turms zusammen mit den Schülerinnen und Schülern blieben, trieb große Sorge um.
    Deswegen hatte auch Algha um Rona gebangt, vor allem als sie erfahren hatte, dass der Feind kaum auf Widerstand traf, gegen Gash-shaku zog – und dieses einnahm. Sie hoffte inständig, dass ihre Schwester noch am Leben war. Denn mit den Schreitenden dürfte der Feind wohl kaum Mitleid haben. Rona durfte also nicht auf Gnade hoffen. Das wusste Algha.
    »Halte durch, Schwester«, flüsterte sie, während sie in die undurchdringliche Nacht hinausschaute. »Bleib am Leben.«
    Hinter der dünnen Wand stöhnte gerade jemand im Schlaf, danach trat wieder Stille ein.
    Algha kehrte zum Bett zurück und blieb, in eine Decke gehüllt, auf ihm sitzen. Nach wie vor bereitete es ihr auch Kopfzerbrechen, was nun mit ihr selbst geschehen würde. Dieser wahnsinnige Zauberer, der irgendeinen Heiler finden wollte … Sie hatte nicht die geringste Vorstellung, wen er damit meinte.
    Ob er sie auch jetzt noch suchte? Und wenn ja, ob er sie aufspüren konnte? Bei Meloth, sie hatte wirklich alles darangesetzt, nicht aufzufallen. Aber ob das ausreichte? Schließlich konnte sich jeder Mensch in ihrer Nähe als Verräter entpuppen.
    Sie hatte sich geschworen, Dawys Bruder nicht in die Hände zu fallen. Wenn es sein musste, würde sie ihn oder seine Häscher umbringen. Ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Schließlich hatte sie in den vergangenen Monaten das Töten gelernt.
    Erschreckte sie das? Ja. Selbstverständlich. Vor allem nachts. Gleichwohl lasteten die Toten nicht auf ihrem Gewissen. Denn sie wusste, dass alle, die sie ins Grab gebracht hatte, nichts anderes verdient hatten. Sei es nun die Nekromantin, dieser Dawy, Krächz und Axt – sie hatten nur für das bezahlt, was sie ihr angetan hatten.
    Damals, bei den Priesterinnen, hatte sie ihren Funken angerufen, kaum dass sie zu Bewusstsein gekommen war. Mit ihm hatte sie ein kleines türkisfarbenes Glühwürmchen auf ihrer Hand entstehen lassen. Während sie das magische Insekt betrachtet hatte, hatte sie alles Leid zu vergessen versucht. Hatte sich eingeredet, all das sei nur ein Albtraum. Nicht mehr als ein Albtraum …
    Die Milch war frisch und warm, der Honig schmeckte angenehm nach Nelken. Die reich mit Rosmarin gespickte Taube war allerdings längst erkaltet, das Schwarzbrot fast trocken, und der feste, leicht gelbe Bauernkäse verströmte einen seltsamen Geruch. Doch auf all das achtete Algha kaum.
    Sie hatte sich an den einzigen freien Tisch gesetzt und frühstückte ohne jede Hast. Ab und zu sah sie sich um und lauschte auf die Gespräche der anderen Gäste. Diese unterhielten sich laut, gestikulierten wild und stritten sogar. Da der Schankwirt und ein Diener ebenfalls an der Auseinandersetzung teilnahmen, vergaßen sie ihre Pflichten darüber gänzlich. Trotzdem trieb niemand sie an. Fast alle hatten das Essen stehen lassen. Die Filzhändlerin wischte sich heimlich ein paar Tränen aus den Augen.
    Algha aß jedoch stur weiter und starrte mit finsterer Miene auf das halb geleerte Milchglas. Die Nachrichten, die ein Bote gebracht hatte, dem es wie durch ein Wunder gelungen war, durch die Reihen der Feinde zu schlüpfen, waren grauenvoll. Die Armee hatte bei Regesh eine katastrophale Niederlage hinnehmen müssen, die Verdammte Scharlach rückte gegen Bragun-San vor, Blatter war in Richtung der

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