Sturm im Elfenland
angelegentlich, woraufhin Ivaylo seine Lippen zu einem Lächeln verzog, das seine kalten Augen nicht erreichte. »Hallo Alana«, begrüßte er sie.
»Uh, der Herr hat wohl schlechte Laune«, entfuhr es ihr. »Hast du Angst, dass ich dir die Meinung sage, weil du einfach abgehauen bist, ohne mir ein Wort zu sagen? Das kommt noch, Ivaylo, aber erst mal will ich frühstücken.«
Sie senkte den Kopf über ihren Teller und schaufelte wütend ein paar Gabeln Rührei in den Mund, ehe sie wieder aufblickte.
»Er ist noch müde von unserem Ritt«, sagte Erramun begütigend. »Das stimmt doch, oder? Ivaylo?«
Der Junge nickte. »Das stimmt«, sagte er mit seiner rauen Stimme. »Tut mir leid, Alana. Das war keine nette Begrüßung.«
Sie sah ihn misstrauisch an. Er lächelte, und seine Augen boten wieder den vertrauten Anblick, sahen nicht mehr aus, als gehörten sie einem toten Fisch.
»Dann ist ja gut«, sagte sie erleichtert.
Erramun schien geistesabwesend und nicht sehr gesprächig, und Ivaylo antwortete zwar freundlich, aber denkbar knapp auf alles, was Alana zu ihm sagte. Sie gab es schließlich auf, ein Gespräch in Gang zu bringen, und sie beendeten ihr Frühstück, ohne mehr als ein paar belanglose Worte miteinander gewechselt zu haben.
»Ivaylo, sehen wir uns denn nachher?«, fragte Alana enttäuscht, als die beiden Männer mit einer Entschuldigung vom Tisch aufstanden. »Ich wollte dir etwas erzählen.«
Der Junge nickte. »Ich komme zu dir«, sagte er und wies mit einer unbestimmten Kopfbewegung auf Erramun. »Ich wollte nur vorher Erramun noch ein wenig herumführen, damit er sich zurechtfindet. Er hat sich noch nie länger hier im Schloss aufgehalten.«
Aber natürlich, Ivaylo hatte lange hier im Schloss gelebt. Alana konnte sich das gar nicht recht vorstellen. Wie grausam mochte es für ihn gewesen sein, ganz allein, ohne seine Eltern und Freunde in der Obhut von Fremden aufzuwachsen?
»Weißt du, wo mein Zimmer ist?«, fragte sie, statt ihre Gedanken auszusprechen.
Ivaylo nickte und lächelte sie an. Es sah ein wenig gezwungen aus, fand Alana. Oder bildete sie sich das nur ein, weil er sich eben noch so seltsam benommen hatte?
»Bis nachher«, sagte Ivaylo und stand auf. »Ich freue mich. Wir haben uns bestimmt viel zu erzählen.«
Sie sah ihm verblüfft und misstrauisch nach.
Die Lust, sich im Schloss umzuschauen, war ihr vergangen. Alana ging auf ihr Zimmer zurück und versuchte, sich in ihr Buch zu vertiefen, stellte aber sehr schnell fest, dass es sie schrecklich langweilte. Also legte sie es beiseite und hockte sich auf die Bank vor dem Fenster, um in den Hof zu schauen.
Das Wintersonnenlicht ließ den Schnee leuchten und färbte alle Schatten kräftig blau. Alana hauchte gegen das Fenster und malte mit dem Finger kleine Kringel auf das Glas. Vielleicht war Garnets Vorschlag, eine Schlittenfahrt zu unternehmen, doch nicht so übel gewesen. Ob Aindru sie begleiten mochte? Sie bekam ihn nicht viel zu Gesicht, seit sie hier waren. Ihr Bruder hatte die Schlossbibliothek mit all den seltenen Büchern über Pflanzen und Heilkunde entdeckt und war höchstwahrscheinlich gleich dort eingezogen.
Die Tür klappte und Garnets leichter Schritt eilte über den Teppich auf Alana zu. »Was machst du?«, fragte sie und ließ sich neben Alana auf die Bank fallen. Sie roch nach Kälte und Pferden.
»Ich langweile mich«, erwiderte Alana, ohne den Blick vom Hof zu wenden. »Schau mal, da kommt ein Reiter. Noch ein Gast? Das Schloss platzt ja bald aus allen Nähten.«
Die beiden Mädchen drückten die Gesichter ans Fenster. Alana legte ihren Arm um Garnet, weil das so bequemer war. Sie betrachteten den großen Elfen, der gerade aus dem Sattel stieg und einem Stallburschen die Zügel seines Pferdes gab.
»Der sieht aber gut aus«, sagte Garnet, und Alana wusste wieder einmal nicht, ob ihre Freundin den Reiter oder seinen Hengst meinte. Das Pferd war wirklich schön, hochgebaut und edel, mit einem stolzen Kopf und langer, lohfarbener Mähne.
Sein Reiter sah ihm ähnlich, dachte Alana und lächelte. Hochgebaut und edel, das passte auch auf den Elfen. Auch er hatte eine lohfarbene Mähne, die wild um sein ernstes Gesicht fiel.
»Er sieht schrecklich traurig aus«, sagte sie laut. Als hätte der Elf sie gehört, blickte er auf und sah ihr direkt in die Augen. Leuchtend blau waren sie, wie die Schatten im Schnee.
Alana schnappte nach Luft. Der Elf kniete neben einer Frau und einem kleinen Mädchen, er lachte.
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