Sturm im Elfenland
nun in meiner Obhut. Ich werde gut für sie sorgen.«
Sein Blick streifte Alana und einen Atemzug lang hielten sich ihre Blicke fest. Strahlend blaue Augen. Glitzerndes Rot und Schwarz. Unwillkürlich hob Alana die Hand und erwartete, schillernd zerfließende Farben auf ihren Fingern zu sehen.
Ihr schwindelte und sie musste die Augen schließen und sich an Garnet festhalten. »Der rote Vogel«, flüsterte sie. »Es ist der König.«
Einige verwirrende Augenblicke lang war ihre Umgebung in einer stillen, alles verschluckenden Nebelwolke verschwunden, die ihr Sicht und Gehör nahm. Als die Welt wiederkehrte, saß sie neben Garnet, die mit besorgter Miene ihre Hand hielt, auf der untersten Stufe der Schlosstreppe. Der Hof lag leer unter der kalten Wintersonne, die Zeremonie war vorüber.
»Ich habe deinen Eltern erzählt, wir wollten noch ein wenig durch den Park spazieren«, erklärte Garnet, als Alana sich suchend umsah. »Du hast diesen glasigen Blick bekommen und nichts mehr gesagt, und ich dachte, du willst nicht, dass deine Eltern etwas davon bemerken. War es wieder dein Stein?«
Alana pustete erleichtert die Luft aus. »Danke«, sagte sie, »das hast du gut gemacht. Nein, ich habe nichts mehr gesehen.« Aber ein Gefühl der Dringlichkeit hatte sie gespürt, und das wurde jetzt sogar noch deutlicher. Sie sprang auf die Füße. »Ich muss ihn finden«, erklärte sie Garnet. »Sei nicht böse, Garnet, ich muss mich beeilen. Wir sehen uns nachher!«
Garnet winkte ihr nur wortlos und zustimmend zu und Alana rannte mit gerafften Röcken die Treppe hinauf. Wo konnte er sich hingewendet haben? War er mit seinen Jägern gegangen? In der Ferne hörte sie Gelächter und Männerstimmen, die laut durcheinanderredeten, und das Klirren von Gläsern und Besteck. Dort hinten fand ein Fest statt, zumindest hörte es sich so an. Wahrscheinlich feierten dort Auberons Jäger mit ihren neuen Kameraden. Alana biss auf ihren Daumennagel. Wo war Auberon? Feierte er mit seinen Jägern? Irgendwie konnte sie sich das nicht vorstellen.
Kurz entschlossen wandte sie sich den anderen beiden Gängen zu, die von der großen Eingangshalle abgingen. Die Treppe nach oben ignorierte sie, denn die führte zu den Salons und Gästezimmern. Sie warf einen Blick in den äußersten, rechten Gang. An der linken Wand hingen Bilder und Spiegel, und ein wunderschöner, glatt polierter Holzboden warf rötlich das Sonnenlicht zurück, das durch die Fensterreihe schien. Alana schloss die Augen und berührte ihren Stein. Wo soll ich nach ihm suchen?, fragte sie lautlos.
Der Stein lag kühl und glatt unter ihren Fingern. Vor ihren geschlossenen Augen erschien ein undeutliches Bild. Es zeigte eine schwere Holztür und dunkle, ausgetretene Stufen, die zu einem steingefliesten Durchgang hinaufführten. Alana riss die Augen auf. Das war eine Tür, die zum Wirtschaftstrakt gehörte, sie erinnerte sich daran, weil sie den Durchgang passiert hatte, als sie den Haushofmeister suchte.
Sie wirbelte herum und lief den linken Gang hinunter, der zu den Wirtschaftsräumen im Seitenflügel führte. Dort war der Durchgang, und dorthin führte sie ihr Stein, sie konnte es deutlich spüren. »Wohin jetzt?«, keuchte sie.
Der Stein schien sich zu erwärmen. Sie riss den Kopf herum und sah eine niedrige Tür gleich neben ihrer Schulter. Ohne nachzudenken, schlüpfte sie hindurch und betrat einen Teil des Schlosses, den sie nicht kannte. Nüchterne, weiß gestrichene Wände, ein abgetretener Holzboden, keine schmückenden Gegenstände oder Bilder. Aber Schritte, die sich hallend von ihr entfernten. Auberon. Das war der König, sie wusste es mit Sicherheit!
Alana rannte auf die Schritte zu, die langsamer wurden und stehen blieben. Der Gang endete an einer verputzten Mauer und teilte sich in zwei Gänge, die rechts und links abgingen. Alana wandte sich ohne nachzudenken nach rechts und lief weiter. Am Ende des endlos langen Ganges stand ein hoch gewachsener Elf in Gold und Rot, der in ihre Richtung zu blicken schien.
Alana beschleunigte wieder ihre Schritte und rief »Auberon«, damit er stehen blieb und nicht weiterging. Sie rannte auf ihn zu, und plötzlich war da etwas Großes, Dunkles in ihrem Weg, gegen das sie so heftig aus dem vollen Lauf heraus prallte, dass ihr die Luft wegblieb.
»Uff«, machte sie und spürte, wie ein paar starke Arme sie packten und mit eisenhartem Griff festhielten. Ein Arm legte sich um ihre Kehle und drückte sie an eine harte Schulter. Alana
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