Sturm im Elfenland

»Ich bin gleich wieder da.«
    Er verschwand in dem Schuppen, der neben dem Haus stand. Etwas quietschte, dann hörten sie Wasser plätschern.
    Ivaylo hockte sich auf einen Holzstapel und streckte die Beine aus. Alana berührte ihren Sternenstein mit den Fingerspitzen und fühlte das Summen darin. »Macht deiner das auch?«, fragte sie.
    »Was?« Ivaylo war mit den Gedanken offenbar ganz weit weg. Er zeichnete mit einem dürren Zweig verschlungene Muster in den Staub. Alana glaubte, einige der Zeichen zu erkennen, die Erramun ihrem Bruder beizubringen versuchte. Und glühte nicht dort ein Kringel rötlich auf und erlosch gleich wieder?
    »So wird es nicht funktionieren«, sagte Sverre, der hinter ihnen wieder aus dem Schuppen getreten war. Sein Haar klebte in nassen Kringeln an seinem Kopf. »Na, und du, kleine Elfe? Wie war deine Nacht?«
    »Schlimm«, erwiderte Alana. »Dieses Ding hier ist wirklich unheimlich.«
    Der Zwerg griff nach dem Stein und befühlte ihn vorsichtig. »Hmhmm«, machte er. »Er ist sehr lebendig. Versucht, mit dir in Gleichklang zu kommen. Du solltest ihn lassen.« Seine braunen Augen zwinkerten sie fröhlich an und Alana musste zurücklächeln.
    »Zeigst du mir, wie?«, bat sie.
    »Das ist meine verdammte Pflicht, habe ich recht?«, erwiderte Sverre vergnügt. »Dazu hat dein listiger Freund mich ja verdonnert. Aber ich möchte zuerst einen kleinen Schluck trinken, meine Kehle ist so staubig wie dieser Hof.« Er warf einen Blick auf Ivaylo, der immer noch stumm und konzentriert schimmernde Zeichen in den Boden ritzte.
    Sverre schnaubte kurz, er klang wie ein erkältetes Pferd. »Das wird so nicht funktionieren!«, sagte er erneut, dieses Mal lauter und ein wenig ungeduldig.
    Jetzt hatte Ivaylo ihn gehört. Er sah auf und blickte dem Zwerg gerade ins Gesicht. »Wie willst du das beurteilen?«, fragte er. »Du weißt doch gar nicht, worüber ich nachdenke.«
    Wieder schnaubte der Zwerg. »Arroganter kleiner Elfenlümmel«, sagte er, aber es klang nicht einmal unfreundlich. Er ging ins Haus und kehrte kurz darauf mit einem Krug und drei Bechern zurück. »Ihr trinkt sicher kein Bier mit mir, habe ich recht? Hier ist Wasser.«
    Ivaylo warf den Zweig weg und verwischte die Zeichen mit dem Fuß. »Warum hat die Übergabe bei mir wehgetan und bei ihr nicht?«, fragte er unvermittelt.
    Sverre zündete seine Pfeife an und setzte sich neben Ivaylo. Er packte ohne Umschweife die Hand des Jungen und drehte die Handfläche zu sich. »Trond Hammerschlag hat dir den Stein gegeben«, sagte er und drückte mit seinem schwieligen Daumen auf die Narbe. »Tut es immer noch weh?«
    »Schon lange nicht mehr.« Ivaylo zog seine Hand weg und steckte sie in die Tasche. Sverre grinste ihn an und paffte ein paar Wölkchen. »Kriegerstein«, sagte er.
    »Bitte?«
    »Trond Hammerschlag ist ein Krieger. Krieger können nur Kriegersteine weitergeben ‒ und die tun nun mal ordentlich weh.« Sverres Gesicht legte sich in lächelnde Falten. »Du hättest einen anderen Stein bekommen müssen. Aber ihr habt Trond ja keine Wahl gelassen, habe ich recht?«
    Alana hatte gespannt zugehört. »Was für einen Stein hätte Ivaylo bekommen sollen?«
    Sverre nahm einen großen Schluck aus seinem Becher. »Was wisst ihr über uns Zwerge?«, fragte er zurück. »Nicht viel, habe ich recht? Es gibt Krieger, wie unseren König. Dann gibt es Handwerker und dann noch Gelehrte.«
    Er stellte den Becher ab und deutete mit dem Mundstück der Pfeife auf Ivaylo. »Bist du geschickt mit den Händen? Oder eher mit deinem Mundwerk? Ein Krieger bist du jedenfalls nicht, mein Junge.« Er lachte.
    »So, denkst du das?« Ivaylo sah ihn trotzig an. »Welchen Stein hättest du mir also gegeben? Den für Schmiede und Bäcker?« Es klang abfällig.
    Sverre nickte langsam, er schien nicht beleidigt zu sein. »Handwerker können nur Steine an Handwerker weitergeben, das ist richtig. Aber auch jemand, der Bildnisse aus Stein meißelt oder schöne Teppiche webt, ist ein Zwerg des Handwerks. Geschickte Finger und ein gutes Auge, das brauchst du dafür.«
    Alana verzog das Gesicht. »Ich bin nicht sehr geschickt mit den Händen«, sagte sie enttäuscht. »Deshalb ist mein Stein wohl auch so geschwätzig und unruhig, Sverre Eisenhand.«
    Ivaylo war nachdenklich geworden. »Du hast uns nicht erklärt, was es mit den Gelehrten auf sich hat.«
    »Die Gelehrten. Richtig, mein kluger Elfenjunge. Das ist die kleinste der drei Gruppen, aber jedes ihrer Mitglieder ist in