Sturm im Elfenland
schon mitmachen«, schimpfte sie. »Ich weiß, dass ich diesen Bann nicht brechen kann. Ich bin keine Magierin. Wo steckt nur Ivaylo?« Das rief sie verzweifelt und mit einem ordentlichen Maß an Wut aus, denn ihr Cousin hatte sich jetzt schon den zweiten Tag nicht blicken lassen. Er erschien weder zum Unterricht noch zu den Mahlzeiten, und auch an seinem Lieblingsplatz im Stall hatte sie ihn nicht finden können.
»Er hat sicher Besseres zu tun«, gab Sverre zu bedenken. »Was interessiert es ihn, ob ein alter Zwerg ein paar Tage länger in Gefangenschaft schmachtet, habe ich recht?« Er zwinkerte, als er das sagte, aber bei aller Ironie war auch ein Körnchen bittere Wahrheit in seinen Worten zu spüren.
Alana sprang auf und legte die Arme um seinen Hals. »Sverre, ich finde ihn und bringe ihn her«, versprach sie. »Und wenn ich ihn dafür fesseln und an den Füßen herschleifen muss!«
»Das wäre doch mal ein Anblick, für den es sich aufzustehen lohnte«, scherzte Sverre. Seine Augen blinkten gerührt.
Dann räusperte er sich angelegentlich und klopfte mit den Knöcheln auf den Tisch. »Liebes Kind, ist es nicht ein wenig leichtsinnig von dir, dich so lange hier bei mir aufzuhalten? Dein Vater hat dir den Umgang mit mir immerhin verboten.«
Alana schüttelte das Haar aus dem Gesicht und legte den Zeigefinger als Lesezeichen in ihr Buch. »Sverre«, sagte sie geduldig, denn dies war nicht das erste Mal, dass der Zwerg sie deswegen ermahnte, »ich denke, dass mein Vater sich in dieser Angelegenheit im Unrecht befindet. Du willst mir ja nicht verraten, wer es war, der dich hier festgesetzt hat, aber du hast damals gesagt, es wäre jemand aus meiner Familie gewesen. Wer außer meinem Vater könnte das schon sein?« Sie musterte den Zwerg streng und Sverre schlug die Augen nieder und murmelte etwas in seinen Bart.
Als er nichts erwiderte, seufzte Alana und schlug ihr Buch wieder auf. »Schauen wir also, wie ich das Unrecht wiedergutmachen kann«, sagte sie energisch. »Und das werde ich tun, Sverre, das schwöre ich bei meinem Sternenstein!«
Der Zwerg machte eine erschreckte Handbewegung, doch ehe er etwas sagen konnte, klopfte es zaghaft an der Tür.
Alana zuckte zusammen, aber dann nickte sie dem Zwerg beruhigend zu. Das Klopfen hatte nicht nach Gondiar geklungen.
»Ja?«, rief Sverre.
Die Tür öffnete sich ein Stück. »Herr Schmied«, rief eine Mädchenstimme, »bist du zu Hause?«
»Garnet«, sagte Alana erleichtert.
»Komm herein«, sagte Sverre. »Noch ein Elfenmädchen. Die Schmiede wird langsam zum Elfentreffpunkt, habe ich recht?«
Garnet trat ein und lächelte den Zwerg an. »Ich soll schön von meiner Mutter grüßen, Meister Sverre. Ob du wohl so freundlich wärst, ihr bei der Reparatur eines Zuggeschirrs zu helfen?«
Sverre nahm wortlos seine Jacke vom Haken und verschwand im angrenzenden Werkzeugraum. Die beiden Mädchen musterten sich unbehaglich. Alana hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie ihre Freundin in letzter Zeit sehr vernachlässigt hatte.
»Du hast nicht mehr viel Zeit für mich«, brach Garnet nach einer Weile das Schweigen. »Steckst lieber mit Ivaylo zusammen, oder?« Sie klang nicht beleidigt, nur ein wenig traurig.
»Garnet«, begann Alana hilflos, »Garnet, das ist es nicht. Es ist eine komplizierte Geschichte, die kann ich dir nicht in ein, zwei Sätzen erklären.«
»Kompliziert, so«, nickte Garnet. Sie verzog ein wenig den Mund. »Von mir wollte er nichts wissen.«
»Garnet, das hat nichts mit Ivaylo zu tun.« Alana schüttelte ungeduldig den Kopf. »Sei nicht albern. Ich interessiere mich nicht für ihn. Er ist nur mein Cousin.«
Garnets skeptischer Gesichtsausdruck ließ Alana ärgerlich werden. Sie konnte gerade noch an sich halten, um nicht kindisch mit dem Fuß aufzustampfen, und stieß stattdessen laut Luft durch die Nase. »Ich habe mich nicht um dich gekümmert, das tut mir leid. Aber ich war wirklich schrecklich beschäftigt und bin es noch!«
Garnet wich ein Stückchen zurück, und jetzt war sie wirklich beleidigt, das konnte Alana ihr ansehen. »Du brauchst mich nicht anzuschreien«, sagte sie scharf. »Sag es einfach, wenn du die Nase voll hast von mir. Ich bin ja nur die Tochter der Stallmeisterin und deinem Vater gehört das ganze Gut!«
»Sei doch nicht so unglaublich dumm!«, schrie Alana.
»Ho, ruhig, junges Elfenblut«, brummte Sverres Bass. Der Zwerg kam durch die Tür und schleppte eine schwere Tasche. »Garnet, sei nicht ungerecht zu
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