Sturm im Elfenland
entscheiden zu können, was er tut oder lässt. Er wollte seine Ruhe haben und nachdenken. Das ist doch sein gutes Recht. Er hat deine Eltern gefragt und sie hatten nichts dagegen.«
Alana schüttelte den Kopf. »Er kann nicht einfach weggehen«, beharrte sie. »Wir haben etwas zu tun. Er wollte mir dabei helfen und ... das ist ja jetzt auch gleichgültig. Erramun, wohin ist er gegangen? Und hat er gesagt, wann er zurückkehrt? Warum hat er sich nicht von mir verabschiedet?«
Der Lehrer rieb sich matt über die Augen. »Er war sehr niedergeschlagen. Er kam zu mir, damit ich ihm helfe herauszufinden, ob seine Eltern noch am Leben sind.« Er ließ die Hand sinken und fixierte Alana mit einem Ausdruck, den sie nicht recht zu deuten wusste. War es Sorge oder Ärger?
»Was habt ihr getan?«
»Es gibt Möglichkeiten, sich mit jemandem in Verbindung zu setzen, der weit entfernt weilt«, erklärte Erramun gedehnt. »Bei einer davon handelt es sich um eine Art von – nun ja, von Abkürzung. Der Weg führt durch eine andere Ebene unserer Realität. Mehr kann ich dir dazu nicht erklären. Das ist eine höhere Art von Magie, die du noch nicht ...«
»Ein Portal«, fiel Alana ihm ins Wort. Die Aufregung über ihre Erkenntnis kribbelte wie tausend Ameisen. »Ihr habt ein Tor geöffnet, stimmt’s?«
Erramun öffnete überrascht den Mund und schloss ihn wieder. »Ah«, machte er. »Nun … ja, das ist richtig. Wie bist du darauf gekommen?« Seine Stimme hatte einen schneidenden Ton. Etwas glomm in seinen Augen auf. Misstrauen? Sorge?
»Ivaylo sprach einmal davon. Er sagte, er wolle ein Portal öffnen, aber er wusste nicht, wie dieser Zauber auszuführen ist.«
Beide schwiegen. Erramun hatte die Lider gesenkt und rieb seine Handfläche. »Was hat er dir noch erzählt?«, fragte er dann.
»Nichts«, murmelte Alana. Der Schock über Ivaylos Verschwinden begann jetzt erst, in ihr Bewusstsein zu dringen.
Wenn Ivaylo wirklich fortgegangen war, gab es keine Möglichkeit für sie, Sverre zu helfen. Und außerdem ‒ das Winterjahrfest fand in ein paar Tagen statt. Ohne Ivaylo? Sie hatte sich darauf gefreut, mit ihm tanzen zu können. Alana verzog das Gesicht. »Wie dumm«, sagte sie. »Wie dumm ist das. Wie konntest du ihn nur gehen lassen?«
Erramun antwortete nicht darauf. Alana riss sich zusammen. »Also habt ihr nichts erreicht«, fasste sie zusammen, was sie von Erramuns Geschichte verstanden zu haben glaubte. »Ihr habt seine Eltern nicht gefunden.«
Erramun schüttelte den Kopf. »Leider nicht. Ivaylo hat versucht, ein Tor zu öffnen, weil er seine Eltern in einer der anderen Welten vermutet.«
»Dann ist es ihm also nicht gelungen?«, fragte Alana betont gleichgültig.
Erramun blickte sie an. »Das ist nichts, was du verstehen würdest, sei mir nicht böse. Du bist keine Magierin, Alana. Nur so viel: Ivaylo hat seine Kräfte überschätzt, und als er das bemerkt hat, ist er vor Enttäuschung zusammengebrochen.«
Alana nickte. Sie kannte ihren Cousin inzwischen gut genug, um zu wissen, dass er Fehlschläge und Scheitern nicht ertragen konnte.
»Und deshalb ist er fortgelaufen?«, fragte sie dennoch skeptisch.
»Er ist nicht fortgelaufen. Er hat sich entschieden, ein paar Tage im Haus seiner Eltern im Schattenwald zu verbringen, um sein Gemüt zu beruhigen.« Erramun lächelte. »Außerdem hatte er Sehnsucht nach einem seiner Freunde. Ich glaube, er braucht nun ein vertrautes Gesicht und jemanden, der seiner Eltern noch so gedenkt, wie auch er sie in Erinnerung hat.«
»Ein paar Tage«, wiederholte Alana voller Erleichterung. »Dann kommt er mit zum Winterjahrfest auf dem Königsstein? Hat er dir etwas darüber gesagt?«
Erramun legte die Hand auf das Buch, mit dem er gearbeitet hatte. Er trommelte unruhig auf das alte Leder, was ein dumpfes, unangenehmes Geräusch verursachte.
»Ja«, erwiderte er kurz. »Er wird zu uns stoßen. Der Schattenwald liegt ja auf dem Weg dorthin.«
Es wurde deutlich, dass er wieder an seine Arbeit zurückkehren wollte. Alana erhob sich mit einem unzufriedenen Seufzer. »Ich würde gerne noch etwas von dir wissen«, bat sie. »Ich habe von Feensilber gelesen und wüsste gerne ...«
»Alana, ich muss hier etwas für deinen Vater fertig machen«, unterbrach Erramun sie mit kaum gezügelter Ungeduld. »Sei mir nicht böse, aber ich kann dir jetzt keine Fragen mehr beantworten. Wir können morgen darüber sprechen.« Er nickte ihr knapp zu und schlug sein Buch wieder auf.
Alana musste
Weitere Kostenlose Bücher