Sturm: Roman (German Edition)
Tritten gehabt hatte. Angst, wirkliche Angst, hätte er nur dann gehabt, wenn sich sein Gegner plötzlich in eine menschengroße Ratte verwandelt hätte.
Der Araber war eindeutig keine Ratte, sondern ein junger Mann von höchstens zweiundzwanzig mit harten Gesichtszügen und trainiertem Oberkörper. Seine Lippen waren geschwollen, als hätten sie erst vor kurzem Bekanntschaft mit einer Faust gemacht, und auf seinen nackten Unterarmen prangten Tattoos von Gewaltszenen, die mehr über seinen Charakter verrieten, als Dirk wissen wollte.
Der Mann brüllte irgendetwas, das für Dirk auch Kisuaheli rückwärts hätte sein können. Aber in einer Situation wie dieser fand Völkerverständigung sowieso weniger durch Sprache als vielmehr auf eine Art statt, die nicht nur jeder Mensch, sondern auch jede Kreatur auf der Welt verstand.
Mit Gewalt.
Die Fäuste zu heben und in Boxstellung zu gehen wäre lächerlich gewesen. Eine Attacke anzutäuschen, um dann an dem Kerl vorbeizustürmen und zu versuchen, so schnell wie möglich aus diesem Mausoleum herauszukommen, hätte eine geringe Erfolgschance gehabt. Aber mit Kinah und Lubaya, die wahrscheinlich gerade von einer Hand voll anderer Männer überwältigt wurden (wobei Dirk nicht sicher war, ob eine Hand voll Männer wirklich ausreichte, um Lubaya zu bezwingen), blieb ihm eigentlich nur der Angriff.
Dirk wich zurück.
Es war ein aus Verzweiflung geborener Geistesblitz. Und er funktionierte. Der Araber hatte die Lampe hochgerissen und starrte ihn an. Die Hand mit dem Knüppel schwang nach oben. Der Mann stieß ein Triumphgebrüll aus – er musste glauben, in dem gekrümmt dastehenden und offensichtlich lädierten Dirk ein Opfer gefunden zu haben, das er bereits mit dem ersten Schlag erledigen konnte.
Dirk riss die Arme nach oben und stolperte einen weiteren Schritt zurück. Das Triumphgebrüll steigerte sich zu einem siegessicheren Geheul. Der Angreifer holte aus, sprang nach vorne …
… und knallte mit den Beinen gegen den gemauerten Absatz, den er in seiner Siegesgewissheit übersehen hatte. Sein Geschrei verwandelte sich in ein ersticktes Keuchen. Der Knüppel sauste an Dirk vorbei und landete klappernd auf dem Boden. Der Araber ließ sich auf die Unterarme fallen, um seinen Kopf zu schützen, wobei das Lampengehäuse zu Bruch ging und er die Flamme unabsichtlich mit der Hand löschte, was äußerst schmerzhaft sein musste, denn seiner Kehle entrang sich ein tiefes Stöhnen. Der Geruch nach verbranntem Fleisch war unerträglich.
Jetzt wäre die Gelegenheit zur Flucht gewesen. Oder die Gelegenheit, seinen Gegner fertigzumachen. Dirk trat dorthin, wo er in der Dunkelheit den Kopf des Kerls vermutete.
Sein Fuß traf etwas Hartes und zugleich Nachgiebiges. Der Araber reagierte mit einem Röcheln, doch im nächsten Moment umklammerten seine Hände Dirks Fußgelenk. Dirk kämpfte mit wild rudernden Armen um sein Gleichgewicht – und wurde plötzlich von hinten gepackt.
»Dich mach ich fertig!«, schrie jemand in sein Ohr und versuchte, ihm die Arme auf den Rücken zu biegen.
Ein Araber, der Deutsch sprach? Dirk holte aus und versetzte dem Mann hinter sich einen Ellbogenstoß. Er traf mit solcher Wucht, das irgendetwas krachte. Der Angreifer keuchte überrascht, dachte aber offenbar gar nicht daran, seinen Griff zu lockern.
Genauso wenig wie der Araber, der immer noch sein Fußgelenk festhielt und nun wohl oder übel mitgeschleift wurde. Wenn die beiden ihn niederzuringen versuchten, stellten sie es nicht gerade geschickt an; der eine zerrte von vorne unten und der andere von hinten oben an ihm, womit sie sich gegenseitig daran hinderten, ihn zu Fall zu bringen.
»Ich knall dich ab, wenn du nicht aufhörst rumzuzappeln«, zischte der Mann, der ihn hinterrücks gepackt hatte.
Der Araber, den er mit seinem Fußtritt ins Land der Träume hatte befördern wollen, bediente sich keiner Waffe, sondern seiner Zähne, um ihn erneut zu attackieren. Er biss ihm durch die Hose hindurch ins Bein.
Dirk schrie auf. Es fühlte sich an, als wollte ihm ein Kampfhund ein Stück Fleisch aus der Wade reißen. Doch da der zweite Mann ihn festhielt, konnte er ohne umzufallen das andere Bein hochnehmen und noch einmal mit aller Kraft nach seinem Gegner treten.
»Aufhören!«, brüllte Dirk. »Sonst trete ich dir den Schädel ein!«
Der Araber konnte ihn nicht verstehen, das war ihm klar, und selbst wenn, hätte er wohl trotzdem nicht lockergelassen. Dafür geschah etwas, mit dem Dirk
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