Sturm: Roman (German Edition)
musst sofort kommen!«
Dirk versteifte sich. »Du hast also wegen Jan Olowski unser Konto leergeräumt?«
»Bitte, Dirk«, zischte Kinah. »Tu jetzt nicht auch noch so, als wäre Jan an allem schuld. Schon gar nicht, nachdem du ihn derart schmählich im Stich gelassen hast!«
Dirk schwieg betroffen. Für Kinah musste es so aussehen, als habe er Jan auf dem Gewissen – und er drehte wegen seiner dämlichen Eifersucht auch noch das Messer in der Wunde um!
»Entschuldige«, murmelte er.
»Ja«, sagte Kinah kühl und ließ seine Hand los. »Jetzt weißt du wenigstens Bescheid. Und sag mir bitte nicht, dass ich dir von all dem hätte erzählen müssen. Du hättest das, was ich in der Garage gesehen habe, als Hirngespinst abgetan, und auf die SMS eines dir unbekannten Mannes hättest du wie ein wild gewordener Stier reagiert. Stell dir vor, wenn ich dir dann auch noch gesagt hätte, dass ich euch für eine Weile verlassen muss – du wärst doch vollkommen ausgerastet.«
Dirk konnte ihr in diesem Punkt nicht widersprechen. Ja, er wäre ausgeflippt, und er hätte auch geglaubt, damit im Recht zu sein – egal, was Kinah zu ihrer Verteidigung angeführt hätte.
»Du hättest uns wenigstens ein Lebenszeichen senden können«, murmelte er. »Oder zumindest Akuyi.«
»Nachdem ich wusste, dass man hinter mir her war und euch beobachtet, um so an mich und Jan heranzukommen?« Kinahs Stimme wurde zu einem kaum verständlichen Murmeln. »Unmöglich. Ich hatte vor allem um Akuyi Angst. Davor, dass man ihr etwas antut.«
»Und deswegen wolltest du sie nach drei Jahren zu dir holen?«
»Ich wollte sie aus der Schusslinie bringen.«
»In die sie erst wegen dir geraten ist«, erinnerte sie Dirk. »Schließlich musst du irgendetwas getan haben, um jemanden richtig böse zu machen.«
»Pssst!«, zischte es von Dirks anderer Seite, wo Lubaya hockte. Dann drückte sich ihr mächtiger Körper gegen ihn. »Ich unterbreche euer Plauderstündchen nur ungern, aber da geht etwas vor sich.«
Dirk brauchte einen Moment, um in die Wirklichkeit zurückzufinden. Er sah immer noch flackernden Lichtschein, doch die fremden Stimmen waren verstummt. »Ich höre nichts mehr. Sind sie weg?«
»Hoffen wir's«, flüsterte Lubaya. »Insgesamt waren es fünf oder sechs Mann, und ich bin nicht sicher, ob alle gegangen sind.«
Dirk lauschte angestrengt. Er vernahm lediglich die Geräusche, die er, Lubaya und Kinah verursachten.
»Ein Mann ist gefährlicher als mehrere«, wisperte Lubaya.
»Warum denn das?«
»Das ist doch klar«, antwortete Kinah an Lubayas Stelle. »Wenn mehrere herumlaufen und sich miteinander unterhalten, gehen die Geräusche, die wir machen, unter. Aber wenn die Kerle nur einen Aufpasser zurückgelassen haben, der irgendwo an der Wand lehnt oder auf dem Boden sitzt, könnte er schnell merken, dass hier etwas nicht stimmt.« Sie wandte sich an Lubaya und fragte: »Was haben die eigentlich die ganze Zeit über getrieben?«
»Das willst du nicht wissen.«
»Doch.«
»Na gut.« Lubayas Stimme war zwar so leise, dass Dirk sie kaum verstand, aber sie klang eindeutig empört. »Sie haben sich an der Leiche zu schaffen gemacht.«
»An Achmed?«, fragte Kinah entsetzt.
»Eine andere Leiche ist ja nicht hier«, sagte Lubaya düster. »Jedenfalls noch nicht.«
»Was haben sie … denn gemacht?«, fragte Dirk alarmiert.
»Nachgesehen. Sehr genau nachgesehen. Die Folie abgewickelt. Ich garantiere dir, mehr willst du gar nicht wissen.«
Dirk nickte hastig. Sein Bedarf an grausigen Einzelheiten war fürs Erste gedeckt.
»Ich fürchte, dass sie alle gleich zurückkommen«, fuhr Lubaya fort. »Und wahrscheinlich nicht mit leeren Händen.«
»Du meinst …«
»Ich glaube, die wollen dieses Gemäuer als Mausoleum nutzen. Als ihren kleinen Privatfriedhof. Vermutlich wollen sie hier noch die eine oder andere Leiche entsorgen.«
»Dann sollten wir zusehen, dass wir so schnell wie möglich verschwinden«, flüsterte Kinah.
»Ja, genau das war mein Gedanke, als ich euch Turteltäubchen aus eurem trauten Beieinander gerissen habe.« Lubaya schob sich ein Stück zurück, und zwar völlig lautlos, als hätte sie seit frühester Kindheit geübt, sich durch Buschwerk an Löwenrudel anzuschleichen. »Mir nach!«
Dirk wollte ihrer Aufforderung folgen, aber er hatte sich mit Kinah verhakt. Ihr linker Fuß lag auf seinem Unterschenkel, und außerdem war nicht nur seine Wade, sondern sein ganzes Bein eingeschlafen, was sich nun mit einem
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