Sturm: Roman (German Edition)
keineswegs gerechnet hatte.
Der Mann hinter ihm gab ihn frei und rief: »Gallwynd?!?«
Es war eindeutig Rastalockes Stimme. Nun erkannte Dirk auch den muffigen Geruch, der ihm anhaftete, als hätte er seine komplette Kindheit in einer Kifferhöhle verbracht.
»Ja, verdammt!« Dirk kippte nach hinten und wäre wohl gestürzt, wenn John ihn nicht aufgefangen hätte.
»Was machst du denn hier?«, fragte Rastalocke erstaunt.
»Auf dich fallen und gebissen werden«, quetschte Dirk zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
»Licht!«, schrie John und umklammerte Dirk so fest, als fürchtete er, dieser könnte sich in Luft auflösen. »Ich brauche Licht!«
Dirk brauchte kein Licht, er brauchte Hilfe. Der verrückte Araber hatte seine Zähne dermaßen tief in ihm vergraben, dass er sich zu fragen begann, ob nicht er es gewesen war, der die Skelette abgenagt hatte.
Dirk hob den rechten Fuß und stampfte mit seinem ganzen Gewicht auf den beißwütigen Angreifer. Etwas knackte laut und ekelhaft, aber der Kerl biss noch heftiger zu.
Dirk konnte nicht anders – er schrie auf, und zwar mehrmals hintereinander und mit aller Inbrunst. Er hätte noch einmal zutreten können, aber dazu war er nicht in der Lage, denn die Impulse seiner Nervenbahnen schienen vor Schmerz Amok zu laufen. Nun fing der durchgeknallte Kerl auch noch an, seinen Kopf wie tollwütig hin und her zu schütteln, sodass Dirks Bein mitgerissen wurde.
Dirk war kurz davor, das Bewusstsein zu verlieren. Da flackerte plötzlich etwas auf, ein erst ganz schwacher, dann stetig stärker werdender Lichtschein. Dirk sah den Mann, der sich in ihm verbissen hatte, sah das Blut auf seiner Stirn, das davon kündete, dass ihn zumindest der letzte Fußtritt hart getroffen hatte, aber er sah auch, dass der Araber sein Bein mit beiden Händen einklemmte wie ein Schraubstock und mit dem Gebiss in seiner Wade hing.
Und er sah, dass Lubaya heraneilte und Kinah mit erschrockenem Gesichtsausdruck die Kerze vorstreckte, die sie in der Hand hielt. »Halt mal!«, herrschte Rastalocke Lubaya an.
Dirk begriff nicht, was er damit meinte, bis Lubaya ihn an der Schulter packte, während John zur Seite sprang.
Beinahe wäre er nach hinten umgekippt, doch dann hatte ihn Lubaya – einmal mehr – im festen Griff. John dagegen war bereits neben Dirk. Eine böse Verletzung zierte sein angespanntes Gesicht, und seine Rastalocken waren vollkommen durcheinandergeraten.
»Lass Gallwynd los, du Ratte!«, zischte Rastalocke und trat dem Araber in die Seite.
Der Araber warf den Kopf hin und her, und Dirk bekam das Gefühl, dass er gleich endgültig ein großes Stück seiner Wade einbüßen würde. Das Spiel wiederholte sich noch zwei Mal, dann wurde es Rastalocke zu bunt. Er riss eine Pistole aus seinem Gürtel, und Dirk, obwohl halb wahnsinnig vor Schmerz, wollte ihm zuschreien, dass er es nicht tun sollte, dass er den Araber nicht erschießen durfte. Aber das wäre nicht nötig gewesen. Rastalocke hatte gar nicht vor, die Pistole für den Zweck zu benutzen, für den sie konstruiert war. Er drehte sie um, ging in die Hocke und zog dem Araber den Griff über den Schädel.
Es nutzte nichts. Ein hässliches Geräusch ertönte, irgendetwas schien unter den Haaren des Mannes aufzuplatzen, aber er ließ nicht für einen Sekundenbruchteil locker.
»Hör auf, du Idiot!«, brüllte Rastalocke und schlug wieder zu, und wieder und wieder, in einem verrückten Rhythmus und mit aller Kraft. Blut spritzte, und auch anderes, über das Dirk nicht nachdenken wollte. Aber er begriff, was Rastalocke tat, und empfand einen schrecklichen Moment lang Triumph und Genugtuung, bevor er schrie: »Nein!«
Es war zu spät. Rastalocke holte zu einem letzten, wuchtigen Schlag aus, um den Mann endlich dazu zu bringen, von Dirk abzulassen. Zu einem viel zu wuchtigen Schlag. Dirk wusste, was passieren würde, noch bevor der blutverschmierte Pistolengriff den Kopf des Arabers traf.
Ein fürchterlicher Knall hallte von den Wänden wider, dann sah Dirk nur noch Blut, Knochensplitter und Gehirnmasse. Durch den Araber ging ein Zucken und krampfhaftes Beben, dann lag er still.
Aber er hatte immer noch seine Zähne in Dirks Wade.
Rastalocke richtete sich auf und trat seitlich gegen den Kopf des Sterbenden, mitten in seine Kieferpartie. Etwas brach, Splitter sausten durch die Luft, und irgendetwas schrammte über Dirks Wange.
Kapitel 20
Dirks Bein lag auf einem Podest aus Ziegelsteinen, das Hosenbein aufgeschlitzt, die
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