Sturm: Roman (German Edition)
wie sehr sie sich verändert hatte – das schmale Gesicht, die spitzen Wangenknochen. Und dieser Ausdruck in ihren Augen … Er hätte nicht einmal genau sagen können, was es war. Vielleicht Härte, vielleicht Angst. Auf jeden Fall nichts, was ihn an die alte Kinah erinnerte, der er bedingungslos vertraut hatte. »Wie kann ich dir noch vertrauen? Du hast mich in jeder Beziehung hintergangen, hast mir die ganze Zeit verschwiegen, was dich wirklich umtreibt.«
»Ich wollte dich und Akuyi nur …«
»Schützen?«, fiel Dirk ihr ins Wort. »Das ist Blödsinn! Ich hätte dir geholfen, wenn ich gewusst hätte, worum es ging. Aber ich hätte es wissen müssen! Wie konntest du Akuyi ohne Rücksprache mit mir aus ihrer gewohnten Umgebung reißen und ins Ungewisse schicken – damit hast du alles noch viel, viel schlimmer gemacht!«
Kinah biss sich auf die Unterlippe. Bisher hatte diese Geste auf Dirk immer erotisch gewirkt, doch jetzt kam sie ihm nur wie der hilflose Versuche vor, Zeit zu gewinnen. »Vielleicht hast du recht und ich hätte dir alles erzählen sollen. Aber nun sollten wir erst mal von hier verschwinden. Bist du mit dem Verband fertig, Lubaya?«
Die Angesprochene nickte. »In einer Minute.«
»Dann machen wir, dass wir aus diesen Grotten rauskommen, bevor sie endgültig einstürzen.«
»Nicht ohne Birdie!«, warf John ein. »Ich bin sicher, dass sie sich ihn geschnappt haben. Im Auftrag von diesem verschissenen Ventura.« Er spuckte aus. »Vielleicht wollen sie ihn ja auch in Frischhaltefolie packen.«
»Dann bleiben Sie eben hier und wir gehen«, sagte Kinah knapp.
»Ganz wie Sie wollen, Gnädigste«, fauchte Rastalocke. »Es ist eine richtig gute Idee, dass wir uns trennen. Sie mit Ihrem humpelnden Mann und dem Breite-mal-Länge-Klops …«
»Hey, John Rasul!«, unterbrach ihn Lubaya. »Halt deine Zunge im Zaum!«
»… und ich mit meiner Knarre. Dann sind wir wenigstens nicht so wehrhaft und können von Venturas Männern viel leichter überwältigt werden.«
»Hmmm«, brummte Lubaya. »Du bist zwar ein hirnloser Idiot, Freundchen, aber da ist was dran.«
»Abgesehen von der Tatsache, dass ihr sowieso keinen Shuttlebus findet, wenn ihr jetzt die Grotten verlasst«, fuhr John fort. »Da oben ist garantiert die Hölle los, und der Sturm tobt noch immer. Da können wir genauso gut auf die Araber warten und Birdie befreien. Und wie ich ihn kenne, wird er schon wissen, wie wir am schnellsten aus dem Katastrophengebiet kommen … und Sie zu Ihrer Tochter!«
Kinah zögerte. »Heißt das, Sie sind doch wieder dabei?«
»Oh Mann, genau diese Frage hatte ich befürchtet«, stöhnte Rastalocke. »Wenn es denn sein muss … und für einen guten Zweck … und wenn Sie noch etwas Schmerzensgeld drauflegen …«
»Hunderttausend Euro, wenn wir Akuyi finden und sie mit deiner und Biermanns Hilfe wohlbehalten zurückbringen«, sagte Dirk, ohne nachzudenken.
Kinah starrte ihn an, als sei er geistesgestört, während Rastalocke nur die Stirn runzelte, anstatt vor Begeisterung zu sprühen, wie Dirk gehofft hatte. »Hunderttausend Flappen? Ein bisschen wenig für das Risiko, das wir auf uns nehmen, findest du nicht? Sagen wir doch lieber dreihunderttausend. Dann wird ein Schuh draus.«
»Dreihunderttausend?«, ächzte Dirk. »Bist du verrückt? Selbst hunderttausend sind schon mehr, als ich aufbringen kann, ohne mich bis über beide Ohren zu verschulden.«
»Du hast doch ein hübsches Häuschen«, entgegnete Rastalocke. »Das ist bestimmt mehr als dreihunderttausend wert. Verkauf es einfach, dann hast du das Geld auf einen Schlag.«
»Ich soll unser Haus verkaufen?«, wiederholte Dirk ungläubig und kam sich langsam vor wie ein Schacherer auf einem Basar. War er verrückt? Er würde zwar alles geben, um Akuyi gesund und munter wiederzubekommen, aber das hieß nicht, dass er diesem unverschämten Idioten ein Vermögen dafür zahlen musste.
»Zweihundertfünfzigtausend für uns drei – für mich, Birdie und Janette«, sagte Rastalocke. »Und das auch nur bei Erfolg. Nur dann, wenn wir die Kleine sicher in Deutschland abliefern. Ist das ein Deal?«
Das war mit Sicherheit der schlechteste Deal, der Dirk jemals angeboten worden war. Aber was blieb ihm anderes übrig? In seinem Zustand war er auf Verbündete angewiesen.
»Na schön.« Er stieß einen tiefen Seufzer aus. »Selbst wenn ich mich damit ruiniere: Zweihunderttausend und keinen Cent mehr.«
Rastalocke sah ihn für eine Weile schweigend an. Dann
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