Sturm: Roman (German Edition)
antwortete ihm Janette vom Fahrersitz. »Ich habe mich inzwischen richtig an den Schlitten gewöhnt. Du hattest übrigens vollkommen recht – ist wirklich eine klasse Kiste.«
»Da vorne rechts«, unterbrach sie Kinah. Sie hatte auf dem Beifahrersitz Platz genommen, da sie die Einzige an Bord war, die sich in dieser menschenleeren Gegend auskannte. Die staubige Schotterpiste, auf die sie zuhielten, sah nicht gerade vertrauenswürdig aus. Aber immerhin war sie ein Anhaltspunkt in der hügeligen Steppenlandschaft, durch die sie jetzt seit einer Viertelstunde donnerten, ein Zeichen dafür, dass sie sich wieder menschlichen Behausungen näherten.
»Du meinst, auf der Piste«, stellte Janette fest.
»Genau«, pflichtete ihr Kinah bei. »Da biegen wir rechts ab. Und dann an den Hügeln vorbei. Es kann nicht mehr weit sein, wenn die Beschreibung dieses Piloten stimmt, den ich vor einer Stunde am Handy hatte.«
»Das will ich hoffen!«, quengelte Rastalocke. »Immerhin hast du das direkt nach dem Telefonat auch schon gesagt.«
Kinah warf ihm im Rückspiegel einen schiefen Blick zu. Gleich nach Antritt der Fahrt hatte Janette »das lästige Siezen in die Tonne gekloppt«, wie sie sich ausgedrückt hatte, und vorgeschlagen, dass sie sich alle duzen sollten. Es sah aber nicht danach aus, als ob Kinah und John dadurch weniger gereizt miteinander umgehen würden als zuvor.
»Ich glaube auch, dass wir gleich da sind«, sagte Biermann. »Aber erwartet nicht zu viel. Jurij hat ausdrücklich gesagt, dass das kein regulärer Flughafen ist, sondern nur eine Piste im Nirgendwo.«
Dirk spürte, wie sich sein Magen verkrampfte. Fliegen an sich war für ihn schon furchtbar genug, da konnte er zusätzliche Erschwernisse nicht gebrauchen. »Woher kennst du eigentlich diesen …«
»Jurij«, ergänzte Biermann. »Wie der russische Kosmonaut Jurij Alexejewitsch Gagarin, der erste Mensch, der einen Raumflug absolvierte.«
»Und ein paar Jahre später bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam«, ergänzte Rastalocke.
Dirk schluckte.
»Jurij hat auch schon den einen oder anderen Absturz hinter sich«, fuhr Biermann fort. »Aber ihm ist nie viel passiert. Was viel wichtiger ist: Mein Kontaktmann hat mir versichert, er sei ein sehr erfahrener Pilot mit mehr Flugstunden als irgendein anderer in dieser Gegend hier. Außerdem soll er seine Maschine tipptopp in Schuss halten. Das ist mehr, als man von einem normalen russischen Piloten behaupten kann.«
»Da bin ich aber beruhigt«, brachte Dirk mühsam hervor. »Wirklich. Ein erfahrener Pilot, der seine schrottreife Maschine irgendwo in der Pampa in die Luft quält, ist genau das, was ich mir immer erträumt habe.«
Kinah drehte sich zu ihm um und runzelte die Stirn. »Ich weiß, dass du nicht gerne fliegst. Aber fünftausend Kilometer auf dem Landweg und durch Staaten, die politisch nicht gerade stabil sind – ist das vielleicht eine Alternative?«
»Nein, natürlich nicht.« Dirk versuchte, an Akuyi zu denken, daran, dass er sie schon bald in die Arme schließen würde, wenn er sich zu diesem Flug überwand. Doch es gelang ihm nicht. Er sah lediglich ein marodes, klapperndes Flugzeug vor sich, nach dem die ersten Sturmausläufer griffen. »Aber wenn wir unterwegs in einen Sturm kommen …«
»Dann wird gar nichts passieren«, schnitt ihm Biermann das Wort ab. »Das ist ja der Vorteil bei einer alten Propellermaschine. Im Zweifelsfall bringt der Pilot die Kiste ganz schnell runter.«
»Genau das befürchte ich …« Dirk verstummte. Janette erreichte die Schotterpiste und steuerte den Roamer in die Richtung, in der Biermann und Kinah den provisorischen Flugplatz vermuteten. Als der schwere Geländewagen durch einen Graben pflügte und anschließend wie ein Raubtier, das sein Opfer gleich beim ersten Angriff zerreißen will, auf die Piste sprang, wurden sie alle kräftig durchgeschüttelt. Kiesel und Sand spritzten auf, eine dichte Staubwolke hüllte den Wagen ein, und Lubaya wurde gegen Dirk gedrückt. Er hatte das Gefühl, als würde ihm das letzte bisschen Luft aus den Lungen gepresst. Janette vollführte ein paar hektische Lenkmanöver, denen der Roamer gutmütig folgte, bis er endlich in der Spur war und sie wieder Gas geben konnte. Lubaya rückte ein winziges, aber für Dirk überlebenswichtiges Stück von ihm ab.
»Wie wär's mit ein bisschen Gefühl?«, schimpfte John.
»Mach ich doch!«, gab Janette zurück.
»Nee, machst du nicht«, ereiferte sich Rastalocke. »Dann
Weitere Kostenlose Bücher