Sturm: Roman (German Edition)
bei der Suche nach ihrer Tochter.
»Wir kriegen sie schon wieder«, murmelte Dirk.
Er bezweifelte, dass Kinah seine Worte im Dröhnen der wuchtigen Kolbenmotoren hören konnte. Vielleicht las sie ihm von den Lippen ab. Vielleicht wusste sie auch einfach, was er ausdrücken wollte.
Sie nickte, und ein flüchtiges Lächeln umspielte ihre Lippen, um gleich darauf zu erlöschen.
»Also gut!«, schrie Biermann Er wankte zu der Munitionskiste und hockte sich neben sie. »Aber Jurij braucht vorne Hilfe.« Er sah Dirk an. »Kannst du …?«
Dirk hätte beinahe spontan den Kopf geschüttelt. Er sollte vorne im Cockpit dabei helfen, einen Hubschrauber abzuhängen? Dafür war er wirklich denkbar ungeeignet.
Als er nicht gleich antwortete, sprang Janette auf. »Das mach ich schon!«
»Das ist keine gute Idee«, entgegnete Biermann. »Jurij hält nicht viel von Frauen im Cockpit.«
Wenn Janette seine Worte hörte, reagierte sie zumindest nicht darauf. Mit ein paar federnden Schritten war sie an Biermann vorbei und verschwand in der Flugzeugkanzel.
Kaum zehn Sekunden später war sie wieder da, das Gesicht vor Zorn gerötet. »Mensch, Biermann!« Es sah fast so aus, als wollte sie Biermann einen Tritt in den Allerwertesten verpassen. »Das hättest du mir ruhig vorher verraten können, dass der so ein Arsch ist!«
Biermann blickte flüchtig zu ihr auf. »Hab ich doch versucht! Aber du wolltest ja nicht hören.«
»Na schön!« Janette warf ihre Haare zurück. »Dirk! Du bist der Mann der Stunde. Dein Typ wird im Cockpit verlangt.«
Dirk weigerte sich, den Sinn dieser Worte zu verstehen. »Warum soll denn nicht eine Frau …«, begann er.
»Weil da vorne ein Methusalem hockt, der das Wort Gleichberechtigung noch nie gehört hat!«, unterbrach ihn Janette ungehalten. »Der ist total verkalkt! Außer vom Flugzeugfliegen hat der von nichts eine Ahnung.«
»Hoffen wir, dass er wenigstens das gut kann«, sagte Lubaya. Sie winkte Dirk auffordernd zu. »Du hast es gehört, weißer Mann. Das ist deine Stunde. Ab ins Cockpit!«
***
»Den Poti links und nicht rechts, habe ich gesagt«, brummte Jurij. »Jungchen, Jungchen – bist du ein Mann oder eine Frau?«
»Was soll die blöde Frage?«, gab Dirk zurück und löste die Hand von dem Potenziometer, mit dem er vergeblich die Lautstärke des Funkgeräts hatte einstellen wollen. »Jeder kann sich mal vertun. Außerdem gibt es kaum etwas, das ich besser im Griff habe als Technik.«
»Na, dann bist du ja doch mein Mann.« Jurij grinste auf seine ganz spezielle Art, bei der man stets den Eindruck hatte, er wolle sein Gegenüber auf den Arm nehmen. »Obwohl … sonst sind es doch nur Frauen, die links und rechts nicht auseinanderhalten können. Genauso, wie sie Wichtiges nicht von Unwichtigem unterscheiden können. Weiber eben. Zu denen du ja gottlob nicht gehörst.«
Dirk öffnete den Mund, um ihm eine passende Antwort zu geben, ließ es dann aber sein. Nachdem er zum Sessel des Kopiloten getaumelt war und sich vorsichtig darauf niedergelassen hatte – ohne allerdings verhindern zu können, dass eine Staubwolke aus dem Ledersitz emporstieg und ihm um die Nase wehte –, hatte eine verblüffende Wandlung seiner Wahrnehmung eingesetzt. Seine Angst war ziemlich rasch abgeklungen und angesichts des freien Blicks auf die großartige Landschaft unter ihnen erstaunter Bewunderung gewichen. Die weite, sich bis zum Horizont erstreckende Bergkette mit ihren sanft ansteigenden Flanken und Erhebungen war ein derart grandioser Anblick, dass ihm ein Gefühl von Angst geradezu lächerlich erschienen wäre. Wenn er dennoch so unruhig war, als hätte sich ein Wespenschwarm in die Flugzeugkanzel verirrt, dann lag das eindeutig an anderen Dingen.
Wie zum Beispiel an dem schwarzen Schatten, der ihnen nach wie vor folgte. Die letzte Meldung von John, die Birdie bei einem kurzen Besuch im Cockpit weitergegeben hatte, hatte nicht gerade beruhigend geklungen. Demnach verfolgte der Helikopter sie nicht nur einfach, sondern flog dabei einen Kurs, der es beinahe unmöglich machte, ihn mit dem Maschinengewehr anzuvisieren. Anders ausgedrückt: Der Pilot des Hubschraubers mit den verspiegelten Scheiben verhielt sich wie ein Kampfflieger.
»Also, was ist?«, sagte Jurij. »Wärst du vielleicht so freundlich, dich um den Funkverkehr zu kümmern?«
Verärgert drehte Dirk den Lautstärkeregler an der linken Seite des Funkgeräts bis zum Anschlag. Sogleich ertönte ein lautes Knistern und Knacken aus den
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