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Sturm: Roman (German Edition)

Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Sturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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musste?
    »Soll das ein Angebot sein?«, gab Ventura zurück.
    »Nein«, antwortete Jan finster. »Nur eine Frage. Mehr nicht.«
    »Aha. Sie wollen wissen, ob ich tatsächlich zu den Guten gehöre.« Ventura schwieg für eine Weile, und als er fortfuhr, war seine Stimme derart eiskalt und ohne Gefühl, dass sie im krassen Gegensatz zu seinem Gerede von Gut und Böse stand. »Ich werde jeden töten, der die Waffe vor mir zu verbergen versucht oder sich ihrer bemächtigen will.«
    »Ja«, sagte Jan bitter. »Das habe ich mir schon gedacht.«
    Dirk stolperte und kam vollkommen aus dem Takt, sodass er sich anstrengen musste, um nicht den Anschluss zu verlieren. Er verstand die Wendung des Gesprächs nicht. Was hatte Jan mit seiner Frage beabsichtigt?
    Doch Jan und Ventura vertieften das Thema nicht, sondern wechselten nur noch ein paar belanglose Worte. Nach einer halben Ewigkeit färbte sich der Himmel im Osten vollends rot. Dirk war viel zu erschöpft, um es bewusst zur Kenntnis zu nehmen, aber den beiden Männern vor ihm schien der Anblick zusätzliche Kraft zu geben, denn sie gingen schneller. Dirk hatte nicht mehr genug Energie, um mit ihnen mitzuhalten. Der Abstand zwischen ihm und ihnen vergrößerte sich zusehends, und kurze Zeit darauf waren Jan und Ventura im Morgengrauen verschwunden.
    Gerade, als Dirk trotz seiner Müdigkeit seine Schritte beschleunigen wollte, hörte er in der Ferne ein bedrohliches Brummen, das ihm nur zu bekannt vorkam. Der Hubschrauber. Die Maschine, die sie von Anfang an verfolgt hatte.
    Der Kampf auf Leben und Tod ging in die nächste Runde.

Kapitel 32
    Das Plätschern des Wassers und die matte Helligkeit aus dem vorderen Höhlenbereich wiesen Dirk zuverlässiger den Weg als seine wirre Erinnerung an die Flucht vor dem Hubschrauber, dem sie nur durch den hastigen Abstieg in die Welt unter dem Berg hatten entgehen können. Immer tiefer und tiefer waren sie in ein Tunnellabyrinth eingedrungen und schließlich auf eine Art natürlichen Innenhof und dahinter auf eine Quelle gestoßen. Noch benommen vom Schlaf, umrundete Dirk mit wackeligen Schritten einen Felsen und stolperte in die nach draußen führende, weitläufige Höhle, in deren Mitte ein unterirdischer Zulauf frisches Wasser in eine steinerne Senke sprudeln ließ.
    Als sie in der Morgendämmerung hier angekommen waren, hatte Dirk so viel getrunken, wie er nur konnte, und dazu seinen Anteil der Notration verschlungen, die Ventura und Karel dabeigehabt und beinahe brüderlich mit ihnen geteilt hatten. Danach hatte er sich genau wie die anderen einen Schlafplatz gesucht und war dort erst vor wenigen Minuten aus einem Albtraum hochgeschreckt.
    Der sachte Luftzug, den er bisher gespürt hatte, wurde in der Höhle zu einem dermaßen heftigen Wind, dass er Dirk das Haar zerzauste und seine Kleider flattern ließ. Dirks Blick schweifte über das dunkle Gestein, über das Gewirr aus Linien, Schatten und lichtüberfluteten Stellen. Er hatte gehofft, Kinah hier vorzufinden, sah sich jedoch getäuscht. Außer Boxernase und Jurij – die beiden Menschen, auf die er am ehesten verzichten konnte –, war niemand zu entdecken.
    Karel warf ihm einen flüchtigen Blick zu und nickte knapp, bevor er sich wieder dem Eingang zuwandte. Mit grimmigem Gesicht starrte er auf die durchbrochene Höhlendecke im Eingangsbereich, durch die sich Sonnenstrahlen hereinstahlen und bis zu der Stelle reichten, an der das Wasser hervorsprudelte. Die kurzläufige Maschinenpistole, die er in der Armbeuge hielt, wirkte wie eine in Metall gegossene Drohung.
    Jurij hingegen hockte an der Quelle, hatte seine improvisierte Krücke neben sich gelegt und füllte Wasser in eine Feldflasche, die bei genauerer Betrachtung große Ähnlichkeit mit einem in einem Lederfutteral steckenden Flachmann hatte. Wahrscheinlich hatte der alte Mann sie am Körper getragen, als er das qualmende Flugzeug verlassen hatte, und mit Sicherheit war sie zu jenem Zeitpunkt statt mit Wasser mit Wodka gefüllt gewesen.
    Er hatte aus dem Cockpit der Lisunov also außer der halb vollen Wodkaflasche auch noch einen Flachmann mitgenommen. Dirk wusste genau, was das bedeutete. Jurij trank nicht nur gerne, er war Alkoholiker. Und das hätte Dirk auch passieren können, wenn er den einmal eingeschlagenen Weg der Selbstzerstörung weiter beschritten hätte.
    Er ließ sich neben dem alten Mann auf die Knie sinken, schöpfte zwei Hände voll des eiskalten, glasklaren Wassers und spritzte es sich ins Gesicht,

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