Sturm: Roman (German Edition)
jetzt erneut mit heftigem Knurren auf den Anblick des frischen Grillguts reagierte. »Ist das wirklich ein Hase?« Er griff mit beiden Händen nach dem Stock und drehte ihn ein Stück, aber der Hase wollte nicht auf der Seite liegen bleiben, sondern schwang zurück, sodass seine Läufe wieder über dem Feuer schwebten. Sie wirkten bereits etwas angekokelt. Dirk versuchte es noch einmal und achtete diesmal darauf, dass der Hase eine komplette Einhundertachtzig-Grad-Wende machte, bevor er den Stock vorsichtig wieder über dem prasselnden Feuer ablegte.
»Ja, das ist wirklich ein Hase. Anders als in Deutschland laufen hier nämlich noch eine Menge davon herum. Aber es ist gar nicht einfach, sie zu erwischen.« Lubaya hatte ihre Schnippelarbeit beendet, drehte das Messer um und streckte es Dirk mit dem Griff voran entgegen. »Karel war so freundlich, uns seine Schießkünste an dem armen Vieh zu demonstrieren.«
»Ja, das kann ich mir vorstellen.« Dirk griff nach dem Messer und wog es in der Hand. »Das habe ich doch schon mal gesehen … Im Flugzeug!« Er sah Lubaya scharf an. »Ist das etwa Jurijs Messer?«
»Ja«, bestätigte Lubaya. »Und es ist Karels Kugel, die in dem Hasen steckt. Und Venturas Notration, die wir bis auf den letzten Krümel verputzt haben. Und es sind meine Heilkräuter und mein Verbandzeug, mit denen ich deine und Jurijs Wunde versorgt habe. In der Not hält man nämlich zusammen, weißt du?«
Dirk wies mit dem Kinn auf Kinah. »Und um Kinahs Wunde hast du dich nicht gekümmert? Was ist mit ihrem Streifschuss?«
»Nichts ist damit«, antwortete Kinah fröhlich. »Die Kugel hat bloß ein bisschen Haut und Stoff mitgenommen. Siehst du?« Sie hielt ihm ihren linken Unterarm hin. Die Haut war tatsächlich nur angekratzt.
»Der Thunderformer …« Dirk wandte sich wieder dem Feuer zu, legte das Messer beiseite und hob den Stock samt Hasen von seiner improvisierten Halterung. »Du wolltest mir erklären, woher Ventura weiß, dass er hier ist.«
»Von mir«, sagte Kinah. Sie setzte sich neben Dirk und nahm das Messer in die Hand. »Du hältst den Hasen und ich schneide die Fleischstücke runter, okay?«
Dirk nickte knapp. »Und woher weißt du das?«
»Von Jan.«
Dirk gab einen knurrenden Laut von sich. »Und woher weiß Jan das?«
»Eigentlich weiß Jan es gar nicht.« Kinah setzte das Messer an und säbelte entschlossen an einer Hasenkeule herum. Nach zwei, drei Schnitten hatte sie das köstlich duftende Stück gelöst und legte es ohne zu zögern auf dem Boden ab. Was hätte sie auch sonst tun sollen? Schließlich gab es weder Besteck noch Geschirr.
»Willst du mich veralbern? Hat überhaupt irgendwer irgendetwas gewusst?« Dirk musste an sich halten, um nicht laut zu werden.
Kinah tranchierte so gekonnt wie ein Profi. Trotzdem griff Dirk um, damit ihm die Messerspitze nicht zu nahe kam.
»Ich wusste genug, um nicht nach Ruanda zu wollen«, sagte sie. Dirk ließ den gegrillten Hasen um ein Haar fallen. »Was?«
Kinah seufzte. »Die Sache ist nicht ganz einfach.«
»Ja, den Eindruck habe ich auch.«
»Vor allem, weil … weil es um Dinge geht, die man nicht mit dem Begriff Wissen umschreiben kann.«
»Die afrikanische Sicht der Dinge«, sprang ihr Lubaya bei. »Wusstest du, dass afrikanische Fußballvereine vor wichtigen Spielen Magier verpflichten, die die eigene Mannschaft stärken und die gegnerische schwächen sollen?«
»Das tun andere Nationen auch«, sagte Dirk. »Nur, dass diese Leute bei ihnen Dopingspezialisten und nicht Magier heißen. Aber davon mal abgesehen interessieren mich Fußballspiele im Augenblick einen Scheißdreck, und dasselbe gilt für die afrikanische Sicht der Dinge. Sagt mir endlich, was ihr wisst! Und was das mit Ruanda zu tun hat!«
»Während des Flugs mit der Lisunov hatte ich … Kontakt mit meinem Vater«, erklärte Kinah.
Dirk drehte den Hasen um, damit sie auch auf der anderen Seite die saftigen Fleischstücke abschneiden konnte. »Was für einen Kontakt? Per Telepathie? Per Funk? Oder mittels irgendwelcher Geister, die in den Bergen herumschweben?«
»Sei nicht albern.« Kinah hielt inne und atmete zweimal tief ein und aus. »Ich habe in den letzten Jahren häufig mit meinem Vater telefoniert. Unser Verhältnis ist ein wenig … angespannt. Vor allem, weil er nicht wollte, dass ich mich um Noah kümmere.«
Unter anderen Umständen hätte dieser Aspekt Dirk brennend interessiert. Aber nicht jetzt.
»Es ist schon komisch.« Kinahs Stimme klang
Weitere Kostenlose Bücher