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Sturm: Roman (German Edition)

Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Sturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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derart erschrocken an, als hätte er eine Gotteslästerung begangen. »Du verstehst überhaupt nichts. Wenn Shimeru es tatsächlich geschafft hat, mit dir Verbindung aufzunehmen – was glaubst du, warum er dieses große Risiko eingegangen ist?«
    »Was für ein Risiko?«
    Noah starrte ihn ungläubig an. »Hältst du es etwa für normal, dass du dich mit einem Schamanen am Lagerfeuer hast sitzen sehen, der in Wirklichkeit viele hundert Kilometer entfernt war?«
    Dirk hatte das absurde Gefühl, als hätten er und Noah die Rollen getauscht. Er hatte niemals behauptet, dass das, von dem Noah sprach, überhaupt möglich war. Im Gegenteil, er hatte diese Möglichkeit bisher immer vehement abgestritten.
    »Beim ersten Mal ist er mir im Traum erschienen«, sagte er so leise, dass er seine eigene Stimme kaum hörte. »Und dann … in den Grotten. Aber davor habe ich deine Mutter gesehen.«
    »Ja, ich weiß.« Noah atmete geräuschvoll aus. »Shimeru hat mir davon erzählt. Und jetzt müssen wir stark sein. Wir müssen die Kraft nutzen, die er uns noch im Tod hinterlassen hat.«
    »Du verstehst nicht ganz«, sagte Dirk. »Ich habe deine Mutter ge sehen, bevor ich sie getroffen habe.«
    »Oh«, stieß Noah hervor.
    »Ich bin mir nicht sicher, ob du begreifst, was ich damit meine«, fügte Dirk hinzu.
    »Ich glaube doch.« Noah wirkte unglücklich. »Es gibt viele verschiedene Arten von Verbindungen. Manche Menschen spüren über einen halben Kontinent, dass es einem ihrer Angehörigen schlecht geht. Oder sie sehen Dinge, die in ihrer weit entfernten Heimat passieren. Oder sie haben … Erscheinungen. Vor allem, wenn sie müde, verwirrt oder krank sind, glauben sie, ein Familienmitglied oder einen guten Freund zu sehen.«
    »Dann muss das wohl so etwas gewesen sein«, murmelte Dirk. »Wie … wie sah Mama aus, als sie dir erschienen ist?«, fragte Noah. »So wie immer? Oder irgendwie verändert?«
    Irgendwie verändert. Ja, das konnte man laut sagen. Kinah hatte schrecklich ausgesehen mit jener klaffenden Wunde, in die sich ihre rechte Gesichtshälfte verwandelt hatte. Das Fleisch war wie von Säure zerfressen gewesen, und der furchtbare Anblick hatte sich tief in Dirks Seele gebrannt, obwohl doch nichts davon real gewesen war.
    »Wie sah sie aus?« Noah schrie fast.
    »Ich weiß nicht«, erwiderte Dirk ausweichend.
    Noah fegte seine Worte mit einer Handbewegung beiseite. Ungeduld funkelte in seinen Augen, eine Eigenschaft, die er zweifellos von ihm, Dirk, geerbt hatte.
    »Ja, sie war verändert«, gab er zu. »Sie hatte eine Wunde im Gesicht.«
    »Was für eine Wunde?«
    Dirk starrte den Menschen an, der ihm so fremd und doch so vertraut war. Er konnte ihm einfach nicht erzählen, in welchem Zustand Kinah in seiner Vision gewesen war. »Eine ziemlich tiefe Wunde«, entfuhr es ihm dennoch. »In Wirklichkeit war es dann aber nur ein harmloser Kratzer an genau der Stelle, an der ich in dieser … Vision … die Wunde gesehen hatte.«
    »Ein harmloser Kratzer?« Noah schnaubte. »Auf ihrem Gesicht vielleicht – aber nicht auf ihrer Seele.«
    »Was willst du mir damit sagen?«, wollte Dirk wissen.
    »Dass wir uns beeilen sollten.« Mit diesen Worten rutschte Noah näher an seinen toten Großvater heran. »Shimeru spürte immer, wie es einem ging. Und ein bisschen dieser Fähigkeit habe ich wohl von ihm geerbt.«
    Dirk hatte lediglich eine ungefähre Vorstellung, wovon Noah sprach. Doch trotz seiner dumpfen Verzweiflung stieg etwas Neues in ihm auf, eine vage Hoffnung.
    »Hast du mich so gefunden?«, fragte er. »Hast du gespürt, dass ich in der Nähe war?«
    Noah schüttelte den Kopf. »Nein, aber wir waren auf der Suche nach dir und Mama, und ich wusste ja von Fotos, wie ihr ausseht. Bevor wir jedoch eure Spur aufnehmen konnten, wurden wir im Sturm getrennt. Ich fand in einer Höhle hier ganz in der Nähe Unterschlupf und spürte kurze Zeit später, wie eine dunkle Woge der Gewalt über Shimeru zusammenschlug. Ich lief so schnell wie möglich in die Richtung, in der ich ihn zu finden hoffte.« Noah ließ Shimerus Hand zögerlich los und legte sie vorsichtig ab. »Er hat uns immer bei sich gehabt. Akuyi und mich.«
    Dirk verschluckte sich fast. »Dich und Akuyi? Wo ist deine Schwester?«
    Noah hob etwas hoch, das Dirk sofort erkannte. Es war die schwarze Zwillingsfigur aus seiner Vision. »Hier ist sie«, sagte er.
    Dirk starrte ihn verständnislos an. Noah sah eigentlich nicht so aus, als wollte er ihn auf den Arm nehmen.
    »Das

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