Sturm ueber Cleybourne Castle
zu, das damit beschäftig war, eine Vitrine abzustauben, und stieg dann die Treppe zu ihrem Zimmer empor. Als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, gab sie einen tiefen Seufzer von sich und ließ sich auf das Bett fallen. Noch einmal zog die Szene im Arbeitszimmer des Duke in Gedanken an ihr vorüber, aber noch während ihr dabei bewusst wurde, wie seltsam er sie dabei angesehen hatte, spürte sie irgendeine Veränderung in dem Raum. Dieses Gefühl wurde plötzlich so stark, dass sie sich wieder erhob und ratlos um sich schaute. Irgendetwas war nicht in Ordnung. Aber was?
Dabei fiel ihr Blick auf die Frisierkommode. Sie prüfte die Anordnung der wenigen Dinge, die sie sorgfältig darauf arrangiert hatte, und erschrak. Ihr Schmuckkästchen war verschwunden! Beunruhigt durchsuchte sie den Raum, aber der kleine Behälter war nirgends zu entdecken, und sein Platz auf der Kommode war und blieb leer. Hastig zog sie alle Schubladen auf. Vielleicht hatte eines der Mädchen beim Saubermachen das Kästchen in Gedanken dort hineingetan. Aber es war weder hier noch im Schrank oder unter dem Bett zu finden.
Zu ihrer Erleichterung fiel ihr ein, dass Gabriela es vielleicht mitgenommen hatte, um mit den Ketten, Anhängern und Ringen zu spielen. Als das Mädchen noch kleiner war, gehörte Jessicas Schmuck zu seinen Lieblingsspielsachen. Aber seit über einem Jahr hatte Gaby nicht mehr danach gefragt. Vor allem ein Medaillon mit Inschrift, ein Geschenk von Jessicas lange verstorbener Mutter, hatte es ihr angetan. Und sie liebte es auch, sich die Ketten umzuhängen oder die Broschen anzustecken. Vielleicht hatte sie jetzt dazu wieder Lust gehabt.
Hastig lief Jessica zu Gabrielas Zimmer und klopfte an. Als keine Antwort kam, trat sie ein und sah sich suchend um. Weder von dem Mädchen noch von dem Kästchen war eine Spur zu entdecken. Wahrscheinlich war Gaby zu Lady Westhampton gegangen, um ihr Gesellschaft zu leisten. Tatsächlich fand Jessica Gabriela dort. Sie saß neben dem Bett und las der Patientin aus einem dicken Buch vor. Die beiden blickten erfreut auf, als Jessica eintrat.
„Wie schön, dass Sie kommen", rief Gabriela. „Lady Westhampton gefällt die Geschichte sehr gut, aber ich habe Miss Pargety versprochen, ihr beim Basteln der Stechpalmenbuketts zu helfen. Sie wartet bestimmt schon auf mich."
„Nun, dann lauf schnell hin. Ich werde Lady Westhampton vorlesen, wenn es ihr recht ist." Freundlich nickte Jessica ihrem Schützling zu. „Es ist gut, dass du dich ein bisschen um Miss Pargety kümmerst."
„Sie macht schrecklich viel Aufhebens um alles", sagte Gaby lachend. „Aber es lässt sich mit ihr aushalten, wenn man nicht so genau hinhört, was sie sagt."
„Gaby ... sag mal, hast du aus irgendeinem Grunde mein Schmuckkästchen aus meinem Zimmer geholt?"
Überrascht blickte das Mädchen auf. „Nein. Warum? Ist es nicht zu finden?"
„Ja, ich habe schon überall nachgesehen, und da dachte ich, dass du vielleicht wieder einmal meine Ketten und Ringe anprobieren wolltest."
„Für solche Spiele bin ich doch jetzt zu groß, nicht wahr?" erwiderte Gabriela selbstbewusst.
„Ja, das weiß ich auch. Aber ich kann mir nicht vorstellen ... nun gut, dann werde ich eben noch einmal das Zimmer durchsuchen. Geh jetzt und hilf Miss Pargety. Ich bleibe bei Lady Westhampton."
Vergnügt eilte Gaby aus dem Zimmer, während Jessica sich auf einen Stuhl neben Rachels Bett setzte. „Wie geht es Ihnen denn heute?" erkundigte sie sich zuvorkommend.
„Wenn man davon absieht, dass ich nur durch den Mund Luft bekomme, dann ist mein Zustand einigermaßen zufrieden stellend."
„Oh, eine verstopfte Nase ist wirklich sehr unangenehm."
„Miss Browns Kräuteraufguss hat schon geholfen, und ich hoffe, dass ich mich morgen wieder besser fühle." Fragend blickte Rachel zu Jessica auf. „Sind Sie sicher, dass Ihr Schmuckkästchen verschwunden ist?"
„Ja, leider. In meinem Zimmer gibt es nicht viele Möglichkeiten, es versehentlich wegzupacken. Deshalb hatte ich gehofft, dass Gaby ..."
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass es jemand von Richards Dienerschaft genommen haben sollte. Es sind alles anständige und ehrliche Leute, und sie arbeiten schon lange für ihn."
„Das weiß ich, und ich glaube auch nicht, dass sich eines der Mädchen daran vergriffen hat. Aber zurzeit sind so viele fremde Menschen im Haus, die man überhaupt nicht näher kennt. Einen oder zwei davon finde ich, gelinde gesagt, ein wenig
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