Sturm ueber Cleybourne Castle
merkwürdig."
„Tatsächlich? Ich habe bis jetzt nur Miss Pargety kennen gelernt, als sie die Tannengirlande abgeholt hat, die ich heute Nachmittag angefertigt habe." „Nun, da gibt es zum. Beispiel noch einen ziemlich ungehobelt wirkenden Burschen mit Namen Cobb. Ich halte ihn für so ziemlich zu allem fähig. Und dieser Mr. Goodrich ist die ganze Zeit so überaus nervös, dass man sich zwangsläufig nach dem Grund dafür fragt. Und Mrs. Woods ist mir auch ein Rätsel. Einer von ihnen könnte durchaus ein Dieb sein. Das Unerklärliche daran ist nur, warum er sich ausgerechnet meinen kleinen Schmuckkasten ausgesucht hat. Der Inhalt hat für mich großen ideellen Wert. Dazu gehört unter anderem eine Brosche aus dem Haar meines Vaters und ein Medaillon, das meine Mutter von ihrer Mutter bekommen hat. Es ist ein Herz mit den Initialen meiner Großmutter darin. Für mich sind diese Dinge kostbar, und ich wäre sehr traurig, wenn ich sie verlieren würde. Aber ihr materieller Wert ist äußerst gering, und an dem Kästchen selbst ist auch nicht viel dran. Ich bin fest überzeugt, dass alle anderen Damen hier im Hause mehr und auch kostbarere Schmuckstücke besitzen."
„Das ist in der Tat seltsam", bestätigte Rachel. „Sie sollten mit Richard darüber sprechen."
„Ich bezweifle, dass der Duke im Augenblick bereit ist, mit mir über irgendetwas zu sprechen", entgegnete Jessica ärgerlich.
„Wieso? Hat ihm die Weihnachtsdekoration missfallen?"
„Das kann man wohl sagen. Er war überaus zornig."
„Oh nein!" Rachel war ehrlich betrübt. „Vielleicht hätten wir lieber sagen sollen, dass ich die Anregung dafür gegeben habe."
Gleichmütig hob Jessica die Schulter. „Ich kann mit seinem Zorn leben. Und er hätte doch sowieso vermutet, dass ich dahinter stecke. Sie nehmen doch viel zu sehr auf seine Gefühle Rücksicht, als dass Sie sich hier eingemischt hätten. Aber er hat mich immerhin nicht hinausgeworfen und auch den Dienstboten nicht befohlen, den Schmuck wieder abzunehmen, und so denke ich, dass die Sache doch noch gut ausgegangen ist."
„Wirklich? Das wäre ja wundervoll!" rief Rachel strahlend. „Er hatte sich so lange in seinem Kummer vergraben. Ich ..." Sie hielt inne und fuhr dann nachdenklich fort: „Manchmal glaube ich, dass unsere Familie tatsächlich mit einem Fluch belastet ist und wir den Menschen, die wir lieben, Unglück bringen."
„Nein, Lady Westhampton, das dürfen Sie nicht sagen!"
„Ach bitte, sagen Sie doch Rachel zu mir. Was sollen die Förmlichkeiten, wenn Sie mich mit einer roten Nase und verquollenen Augen kennen?"
Unwillkürlich musste Jessica lachen. „Also gut, dann Rachel. Und ich bin Jessica, wie Sie wissen. Ich glaube jedenfalls nicht daran, dass Ihre Familie verwünscht ist."
„Ja, ja, meistens sagen wir so etwas auch nur aus Spaß. Aber ... " Rachel schüttelte den Kopf. „Wir Aincourts sind nie besonders glücklich gewesen. Wer weiß, vielleicht geht das alles zurück auf den Vorfahren, der den Abt verjagt hat. Oder es ist wegen der Sünde des Stolzes, die von ihm auf alle folgenden Generationen vererbt wurde." „Stolz? Ich bitte um Verzeihung, aber Sie machen keineswegs den Eindruck, als seien Sie aufgeblasen vor Stolz. Sie sind immer so freundlich zu mir gewesen, und Sie müssen wissen, dass ich ... "
„Was? Dass Sie das Unglück hatten, Ihren Vater in einen Skandal verwickelt zu sehen? Das ist wohl kaum Ihre Schuld, ebenso wenig wie es meine Schuld ist, dass mein Vater ein puritanischer Tyrann war, der seinen einzigen Sohn verstoßen hat. Aber ist es nicht Stolz, wenn immer nur um des gesellschaftlichen Erfolges willen geheiratet wird und nicht aus Liebe? Wir haben in den Augen der Welt immer so genannte gute Partien gemacht. Die Ehen wurden geschlossen wegen Geld, Stellung, Land oder Namen - aber nie aus dem Herzen heraus. Was zur Folge hatte, dass wir nie glücklich waren."
„Aber Ihre Schwester ... "
„Richard hat sie geliebt, das weiß ich. Aber ich bin mir nicht ganz so sicher, dass sie ihn auch geliebt hat. Oder vielleicht sollte ich sagen, sie fand es leicht, einen Duke zu lieben. Wäre Richard nur ein Baron gewesen oder hätte ... Gott behüte ... überhaupt keinen Titel gehabt... ich weiß nicht, ob sie viel für ihn übrig gehabt hätte."
„Oh, das tut mir Leid", murmelte Jessica und warf einen scheuen Blick auf Rachel, die mit umschatteten Augen in eine Vergangenheit zu schauen schien, die ihr wenig Freude gebracht hatte.
„Mein Mann
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