Sturm ueber den Highlands
wirbelte herum und sah seinen mächtigen Körper in der Maueröffnung stehen, die seine Männer durchbrochen hatten. „Da ist nichts“, antwortete sie geschwind.
„Verlogene Hure.“ Seamus warf ihr drohende Blicke zu. „Ich werde mich selbst davon überzeugen.“ Über seine Schulter befahl er Alain, den Eingang zu bewachen, und seinen Männern, mit ihm in die Grabkammer zu kommen.
Sie blickten ängstlich um sich, und das Weiße ihrer Augen blitzte im Licht der Fackeln auf, die sie hoch über ihre Köpfe hielten. Seamus schien die Kälte und die dumpfe Luft um sich vergessen zu haben und fuhr sie an: „Bewegt euch gefälligst, ihr
Dummköpfe. Ich will alles, was Wert hat, aus diesem Schiff und auf unseren Tragtieren, bevor die Dunkelheit zur Gänze hereinbricht.“
„Passt auf den Boden auf“, rief Elspeth.
„Den Toten ist es gleich, auf welchem Weg ich komme“, antwortete Seamus und betrat die Totenkammer. Sein Fuß kam ohne Absicht auf einen der glatten Steine, ohne dass etwas geschah, und Elspeth glaubte schon, sich geirrt zu haben, bis er auf den unmarkierten Stein neben dem Schiff trat und ein leises Rumpeln die Stille durchbrach.
Elspeth fühlte, wie der Boden unter ihren Füßen bebte. Auch den Munros blieb es nicht verborgen. Gegenseitig hielten sie sich fest, suchten Halt aneinander, ihre Blicke auf den Drachenkopf gerichtet, als ob er lebendig werden und sie alle verschlingen könnte.
„Narren! Das ist nur der Sturm!“ Seamus schlug dem nächststehenden Mann ins Gesicht und befahl weiterzumachen.
Elspeth wusste, es war mehr als bloß ein natürlicher Sturm. Von dem Augenblick an, als Seamus den Raum betrat, war sie sich eines Wechsels in der Atmosphäre gewahr. Das Gefühl, dass sich etwas erhob, zusammenbraute, wurde stärker und stärker.
„Himmel, schaut euch das an!“ rief Seamus aus. Er stand neben dem Boot, unverhohlene Habgier leuchtete aus seinen Augen, seine Lippen waren zu einem grässlichen Lächeln verzogen. „Das ist wahrlich ein Vermögen!“ Seine Hände zitterten, als er nach einer der Truhen griff.
„W...wenn das nun eine Falle ist?“ stammelte einer der Munros.
Seamus zog seine Finger zurück, als ob er sich verbrannt hatte. Mit finsterem Blick wandte er sich zu Elspeth. „Hol du mir diese goldenen Münzen.“
Elspeth hob trotzig das Kinn. „Ich werde dieses Grab nicht für dich ausrauben.“
„Du tust, was ich befehle.“ Er nahm Elspeth an den Armen und schüttelte sie so hart, dass sie die Fackel fallen ließ. Sie stieß auf einen glatten Steinblock auf und sprühte Funken, während sie weiterrollte und in der Mitte von drei gezeichneten Quadern liegen blieb. „Hol mir diese Tru...“
„Lass sie los!“ Der Befehl donnerte durch die Kammer, hallte von den steinernen Wänden wider und zog die Blicke aller auf das Mauerloch. Dämmerlicht drang durch die Öffnung und erhellte die schwarze Krypta nur wenige Zoll breit. Zwei Gestalten zeichneten sich wie Scherenschnitte darin ab, ihre Gesichter unkenntlich in den langen schwarzen Schatten verborgen.
„Alain?“ rief Seamus fragend, den Kopf zurückgeworfen, die Augen schmal.
„Ja.“ Die beiden schritten vorwärts und betraten langsam den Lichtkreis der Fackeln. Alains Arme waren in einer Geste der Unterwerfung ausgestreckt. Etwas glitzerte an seiner Kehle ... die geschwungene Klinge eines Dolches.
Elspeth blickte auf, über Alain hinweg zu dem Mann, der hinter ihm stand.
Lucais.
„Sutherland!“ rief Seamus aus.
„Ja. Auferstanden von den Toten, um zu beschützen, was mein ist.“ Ohne Helm, das Haar blutverschmiert, das Antlitz grimmig und hasserfüllt, sah Lucais wahrlich aus wie ein Geist aus dem Grabe.
Er lebt! dachte Elspeth. Er lebte, doch Lucais hatte sie nicht einmal angeblickt, als er durch die Grabkammer schritt. Sein durchdringender Blick war ganz auf Seamus und das Totenschiff gerichtet. Vielleicht war er gar nicht ihretwegen gekommen. Vielleicht galt seine Sorge nur dem Schatz, den es zu wahren galt.
„Verlasst diesen Ort, oder ich töte deinen Bruder“, drohte Lucais und blieb einige Schritte von Seamus stehen, ohne den Blick von ihm zu lassen.
Seamus schnaufte verächtlich. „Ich gebe keinen Deut für Alains Leben, doch ich wette, du wirst von der Dirne anders denken.“ Er legte seinen Arm um Elspeth und zog sie fest an sich, die Spitze seines Dolches an ihrer Kehle.
Lucais glaubte, den Boden unter seinen Füßen wanken zu spüren, doch er wusste, dass dies nur eine
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