Sturm ueber den Highlands
freundlich“, sagte Elspeth, als sie die Tafel verließen. „Ich hörte, die Hochländer seien grimmig und verschlossen.“
„Wir nehmen nicht jeden Fremden so freundlich auf“, gestand Niall ein. „Doch hier ist nicht einer, der Lucais nicht Dank dafür schuldet, dass er uns Frieden und Wohlstand brachte. Sie haben Euch willkommen geheißen, weil er es befahl... und weil Ihr eine schöne Frau seid.“
Elspeth bedankte sich geistesabwesend mit einem Lächeln für dieses Kompliment. Warum behandelte Lucais sie so freundlich, wenn er sie doch offensichtlich verdächtigte, mit seinen Feinden im Bunde zu stehen? „D...die Halle ist beeindruckend“, sagte sie, um ihre Gedanken auf etwas anderes zu richten. Dann blickte sie um sich und sah, dass sie in der Tat größer, sauberer und reicher ausgestattet war als die trostlosen Burgen, vor denen Ross und Megan sie gewarnt hatten. Frische Binsen lagen auf dem Boden, und bunte Wandteppiche leuchteten von den rauchgeschwärzten Mauern.
„Sie passt zu einem mächtigen Anführer“, sagte Niall stolz.
Elspeth blinzelte. „Lucais ist mächtig?“
„Stark genug, dass uns selbst die Munros in Ruhe lassen.“ Nicht gewahr des Schrecks, der Elspeths Schritt stocken ließ, fuhr er fort: „Reich genug, um die Mauern von Kinduin zu befestigen und die verschwenderischen Dinge zu kaufen, die sie auch in Curthill haben, wo Lucais aufgewachsen ist.“
Bücher also. „Ich sehe“, sagte Elspeth leise. Ihr Blick glitt von den seidenen Bannern, die von den dunklen Balken hingen, zu den Sutherlands, die ihren täglichen Aufgaben lächelnd und leichten Schrittes nachgingen, und sie fragte sich, wie ihr Leben wohl ausgesehen hätte, wenn sie Lucais’ Werbung angenommen hätte. Niemand, der von Raebert abhängig war, hatte gelacht oder sich entspannt ... am wenigsten sein Weib.
„Möchtet Ihr sehen, was er aus der Burg gemacht hat?“
„Ja.“ Ihre verwirrten Gefühle ließen sie zittern, und sie ergriff seinen Arm. Sie wollte den Ort erkunden und einen Plan zur Flucht vorbereiten. Als sie von der Halle zum Eingang schritten, betete sie im Stillen, dass ihre Burg ebenso schön sein möge wie die von Lucais. Du hättest es verdient, dass sie ein finsteres Loch wäre, sagte ihr Gewissen. Wärst du nicht so stolz gewesen, könntest du jetzt die Herrin von Kinduin sein. Doch nicht Stolz hatte sie daran gehindert, Lucais zu heiraten. Es war Angst gewesen, schiere Angst.
„Ihr zittert. Ist Euch kalt?“ fragte Niall.
„Nein.“ Elspeth gelang ein zartes Lächeln für ihre galante Begleitung. Es ist nur Bedauern ...für so vieles.
„Neben dem Turm liegt die Küche“, sagte Niall, als sie die Stufen in den kleinen Burghof hinunterschritten.
Elspeth blinzelte im Sonnenlicht und blickte um sich, als er ihr die einzelnen Gebäude zeigte. Der Boden des äußeren Burghofes war aus Lehm und Gras, und feste Steinmauern umgaben ihn auf allen Seiten. Bewaffnete Männer hielten auf den Wehrgängen Wache. Die Spitzen des Fallgitters staken in der Erde, die eisenbeschlagene Zugbrücke war hochgezogen und verschloss Kinduin so fest wie die Schatztruhe eines Geldverleihers. Verdammtes Pech, dachte sie und hörte kaum auf Nialls Geschwätz.
Ganz Kinduin passte in eine Ecke von Carmichael Castle, doch die Ställe, die Unterkünfte und die anderen Gebäude waren fest gebaut und in gutem Zustand. Während Niall all die Verbesserungen erwähnte, die der Heilige Lucais vollbracht hatte, war Elspeth beeindruckt... und überrascht. Wer hätte gedacht, dass ein Mann, der in solch bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen war, so viel erreichen konnte? Sie hatte es offensichtlich nicht geglaubt. In Lucais steckte mehr, als sie jemals vermutet hatte.
„Ich begleite Euch zurück in die Halle, dann habe ich selbst Aufgaben, die erledigt werden müssen“, sagte Niall am Ende ihres Rundganges.
Elspeth lächelte zustimmend, kehrte mit ihm in die Halle zurück, die zu dieser Zeit fast menschenleer war, und bedankte sich höflich. Sie blickte Niall nach, als er sie verließ, zählte bis fünfzig und folgte ihm dann nach draußen. Oben auf den Stufen blieb sie stehen und überblickte den Burghof. Jeden Augenblick erwartete sie, dass Lucais vor ihr auftauchte und ihre Flucht vereitelte, doch sie erreichte die Ställe ohne Zwischenfall. Drinnen war es warm und dunkel, und der starke Geruch der Tiere beruhigte ihre Sinne. In dieser für sie ungewohnten Welt war es gut, etwas Altgewohntes zu finden. Doch sie
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