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Sturm über Freistatt

Titel: Sturm über Freistatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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verzaubert von der Erinnerung an Vögel, deren Lieder alle irdischen Melodien übertrafen, fiel die Stille hinter ihm nicht auf, sie hörten weder das jubelnde Kichern des Kindes noch die schweren Schritte auf der Treppe.
    »Alfi! Komm sofort herunter!«
    Träume barsten um ihn, und Lalo wurde in die Wirklichkeit der Stube zurückgerissen. Er blinzelte, als sein verwirrter Blick die Vision einer zornigen Göttin von der massigen Gestalt zu trennen versuchte, die ihn an der Tür anfunkelte. Doch noch ehe sein Blick sich klärte, stürmte Gilla durch die Stube und holte das Kind herunter von dem Regal über dem Herd.
    Wedemir, dessen Blondschopf über den Paketen und gehäuften Körben kaum zu sehen war, stolperte hinter ihr durch die Tür und suchte nach einem Platz, wo er die Einkäufe abstellen könnte.
    »Will es schön machen!« klang Alfis Stimme gedämpft aus dem üppigen Busen seiner Mutter. Er zappelte in ihren Armen und deutete. »Siehst du?«
    Drei Augenpaare folgten seinem Finger und blickten zur Decke über dem Herd, wo der Ruß nun mit blauen und grünen Kreisen und Wellenlinien vermischt war.
    »Ja, Liebling«, sagte Gilla ruhig, »aber da oben ist es dunkel, und die Farben heben sich nicht gut ab. Und du weißt doch, daß du die Kreiden deines Vaters nicht nehmen darfst! Und erst recht weißt du, daß du nicht auf den Herd klettern darfst! Nun?« Sie hob die Stimme: »Antworte!«
    Ein rußverschmiertes Gesichtchen mit zitternder Unterlippe wandte sich ihr zu, und die dunklen Augen senkten sich unter Gillas strengem Blick. »Ja, Mama …«
    »Vielleicht hilft dir das, dich in Zukunft besser daran zu erinnern!« Gilla setzte das Kind ab und legte es übers Knie; sie war damit nicht zimperlich. Alfi wimmerte und rieb sich das schmerzende Hinterteil. Tränen flossen über seine Pausbäckchen.
    »Und jetzt legst du dich in dein Bett und bleibst dort, bis Vanda deine Schwester Latilla heimbringt.« Sie faßte ihn an den schmalen Schultern, schob ihn in die Kinderstube und schloß die Tür hinter ihm so heftig, daß der Boden schwang.
    Wedemir setzte den letzten Korb auf dem Küchentisch ab und beobachtete seine Mutter mit einer Bangigkeit, die nicht zu den breiten Schultern und kräftigen Muskeln paßte, die er sich bei der Arbeit in der Karawane erworben hatte.
    Lalos Blick kehrte zu seiner Frau zurück, und sein Magen zog sich zusammen, als er die Verkörperung Sabellias, der Scharfzüngigen, da stehen sah.
    »Vielleicht hält ihn das das nächste Mal auf dem festen Boden zurück«, brummte Gilla. Sie stemmte die Fäuste auf die breiten Hüften und funkelte Lalo an. »Ich wollte, ich könnte dir ebenfalls den Hintern versohlen! Wo warst du mit deinen Gedanken?« Ihre Stimme hob sich, als sie sich noch mehr ereiferte. »Als du gesagt hast, du würdest auf Alfi aufpassen, dachte ich, ich könnte mich auf dich verlassen! Du weißt doch, wie lebhaft Kinder in seinem Alter sind! Im Herd ist noch Glut! Hättest du es überhaupt gehört, wenn Alfi zu schreien angefangen hätte? Lalo der Maler – Lalo der Träumer sollte man dich nennen! Pah!«
    Wedemir zog sich lautlos zu dem Stuhl in der Ecke zurück. Lalo konnte sein mitfühlendes Lächeln nicht erwidern. Seine zusammengepreßten Lippen zitterten unter Worten, doch siebenundzwanzig Jahre mit dieser Frau hatten ihn gelehrt, sie nicht auszusprechen. Und es stimmte ja auch, daß … Seine lebhafte Phantasie malte ein Bild seines Jüngsten, der sich in lodernden Flammen wand. Aber er hatte doch bloß einen Augenblick lang aus dem Fenster geschaut! In der nächsten Sekunde hätte er das Kind gesehen und heruntergeholt!
    »Die Götter wissen, welche Geduld ich immer hatte!« tobte Gilla weiter. »Immer sparsam und immer bedacht, die Familie zusammenzuhalten, während sich die Rankaner oder Beysiber oder sonstwer in der Stadt breitmachten. Zumindest hättest du wirklich …«
    »Im Namen Ils’, Weib, jetzt ist es genug!« Lalo fand endlich seine Stimme wieder. »Wir haben ein Dach über dem Kopf, und von wessen Einnahmen bezahlen wir denn …«
    »Das gibt dir noch lange nicht das Recht, alles niederzubrennen!« unterbrach sie ihn. »Außerdem, wenn wir die Steuern nicht bezahlen, werden wir dieses Dach über dem Kopf bald nicht mehr haben; Shalpa weiß, wem wir sie in diesem Jahr bezahlen müssen! Was hast du eigentlich in letzter Zeit gemalt?«
    »Bei den Göttern!« Lalos Finger zuckten hilflos. »Was ich gemalt habe …!« Einen scharlachroten Sikkintair, der

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