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Sturm über Freistatt

Titel: Sturm über Freistatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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zurück, woher du gekommen bist – so ist es nicht, wie es sein soll!« Männer murmelten um ihn, jemand fluchte, als der Boden erbebte.
    »Zauberei!« rief ein anderer. Die Umstehenden wichen zurück. Nachtschatten spuckte auf den Boden und verschwand lautlos durch die Tür.
    Hustend griff Lalo nach seinem Krug und schmetterte ihn an die Wand. Im Lampenschein floß der Wein rot wie Blut über eine zu Fleisch werdende Flanke und spritzte auf den Boden.
    Wedemir machte das Zeichen gegen das Böse; Cappen Varras Faust verkrampfte sich um das verschnörkelte Silber seines Amuletts. »Es ist nur ein Bild; ein Bild kann einem nichts tun …«, murmelte der Spielmann. Aber Lalo wußte, daß das nicht stimmte. Mit jedem vergehenden Moment wurde das Ungeheuer an der Wand stofflicher. Der Boden zitterte stärker. Lalo wich einen Schritt zurück, dann noch einen.
    Eindaumen stapfte die Treppe herunter und brüllte Fragen, doch niemand achtete auf ihn. Er rief nach Roxane, deren Kräfte, falls sie Lust hatte, sie einzusetzen, das Schauspiel hätten beenden können. Doch in dieser Nacht war die Nisibisihexe mit etwas anderem beschäftigt und hörte ihn nicht.
    Ein Ächzen erklang, sowohl von Lalos Lippen, wie von der Wand, und das schwarze Einhorn löste sich von der Wand und sprang auf den Schenkenboden.
    Plötzlich erinnerte sich Lalo an das erfreute Staunen, mit dem er beobachtet hatte, wie seine erste Schöpfung durch die blaue Luft gesegelt war. So groß wie damals seine Freude, war jetzt sein Entsetzen.
    Lebend war dieses Ungeheuer noch erschreckender als an der Wand – eine Entweihung der Vorstellung, die man von einem Einhorn hatte. Es hielt an, stampfte mit Hufen wie polierte Schädel, und die Stützbalken, die das obere Stockwerk trugen, zitterten wie Espen im Wind. Es bäumte sich auf und torkelte vorwärts wie ein Minotaur, dann setzte es die Vorderhufe wieder auf und stieß sein Horn fast gleichmütig in die Brust des nächstbesten Gastes.
    Der Mann schrie nur kurz. Das Einhorn schüttelte den Kopf, die Leiche kam frei und flog wie ein Mehlsack in hohem Bogen durch die Luft. Blut rann das gewundene Horn hinunter, und das Einhorn wuchs.
    Es drehte den Kopf, und sein rotes Auge richtete sich auf die dünne Schankmaid. Sie versuchte wegzulaufen, doch das Ungeheuer war zu flink. Ihre Leiche hing noch in der Luft, als Wedemir seinen Vater am Arm faßte.
    »Papa, schnell – wir müssen hier raus!«
    Cappen Varra rannte bereits zur Tür. Das Einhorn wirbelte herum und trieb verächtlich zwei Männer durch die Stube. Frisches Blut vergrößerte die alten Flecken auf dem Boden.
    »Nein!« Lalo schüttelte heftig den Kopf. »Es ist meine Schuld – ich muß …« Plötzlich bekam er Wedemirs Kraft zu spüren, als der ihn unter den Arm klemmte und ihn mehr davontrug als wegzerrte.
    Drei Männer stürmten hinter ihnen in die Nacht. Dann gab es nichts mehr als die Schreie in der Schenke, während Wedemir Lalo hinter Cappen Varra herzog. Das Grauen verlieh ihnen einen eigenen Schutz, bis sie die ärmliche Kammer des Spielmanns erreichten.
     
    Die dunklen Stunden zwischen Mitternacht und Morgengrauen zogen sich dahin. Das schwarze Einhorn, das in der Spelunke gewütet hatte, stampfte hinaus auf die Straße und streifte durch das Labyrinth. Es leerte die Straßen weit wirkungsvoller, als ein Reichsbefehl oder die Ausgangssperre der Beysiber es je vermocht hatte.
    Lalo schlief unruhig auf dem staubigen Boden von Cappen Varras Kammer. Er plagte sich durch Alpträume von Feuer und Dunkelheit, die in der Ferne vom Schimmern kristallener Schwingen gebrochen wurde.
     
    In seinem prächtigen Landhaus im Ostende nahm Lastel wütend und sich vor Schmerzen windend – das Einhorn hatte ihm die Bauchdecke aufgeschlitzt – eine kräftige Prise Krrf und wartete auf Roxane. Ein Tod oder auch ein Dutzend im Wilden Einhorn beunruhigten ihn nicht weiter, aber seine Verbindung mit der Nisibisihexe sollte ihn eigentlich vor jeglicher anderer Zauberei schützen. Und nun lief das Ungeheuer von der Wand seiner Schenke Amok in der Stadt, und jeder Zauberer in Freistatt würde ihn dafür verantwortlich machen. Hatte das tatsächlich der kleine Maler getan? Wer benutzte ihn? Lastel schlug nach dem Sklaven, der ihm die Wunde verbinden wollte, und nahm eine weitere Prise Krrf. Roxane würde helfen können …
     
    Die Zauberin Ischade hob sich von den Seidenkissen und dem verzückten Gesicht des Mannes unter ihr. Mitternachtaugen spähten durch heller

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