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Sturm über Freistatt

Titel: Sturm über Freistatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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werdende Schatten. Sie spürte Macht in der leicht feuchten Luft wirbeln. Die Schutzwehr, die sie zwischen sich und der Nisibisihexe errichtet hatte, zitterte wie straff gespannter Draht im Wind. War Roxane dabei, etwas gegen sie zu unternehmen? Die Erschütterung kam aus der Richtung des Wilden Einhorns, doch aus ihrem wirren Verlauf war kein Sinn zu entnehmen. Ein Wort an den schwarzen Vogel, der in einer Ecke kauerte, ließ ihn die nachtdunklen Schwingen ausbreiten und zu flattern beginnen. »Flieg!« befahl sie. »Sieh dich um und gib mir Bescheid …«
     
    Enas Yorl sah, wie sich das zerbrechliche Gefüge des Zaubers, an dem er arbeitete, zu kräuseln begann, als eine Verzerrung der Dimensionen ihn erreichte. Mit einem raschen Wort hob er den Zauber auf. Was war geschehen? Die Macht, die er spürte, war fremdartig und doch auf erschreckende Weise vertraut. Sofort rief er seine Vertrauten und schickte sie durch die verschlungenen Straßen. Dann kleidete er sich an, doch noch während seine Hand sich um den schweren Samt legte, sah er, wie sie sich veränderte. Verzweifelt und qualgeschüttelt ergab sich der Zauberer der Verwandlung, die ihm jegliche Menschenähnlichkeit raubte. Als Wedemir an seine Bronzetür pochte, konnte nur sein blinder Diener Darous sie öffnen und ihn mit der Beteuerung abspeisen, sein Herr sei nicht zu Hause …
     
    Lythande, die sich in zeitloser Versunkenheit am Ort-der-nicht-ist aufhielt, spürte die unbeschreibliche Erschütterung. Sie schickte ihr ausgebildetes Bewußtsein zurück in die einfache Kammer im Aphrodisiahaus, wo sie ihren stofflichen Körper zurückgelassen hatte. Sie nahm die neue Macht in Freistatt wahr, erkannte jedoch, daß sie – den Göttern sei Dank – keine Gefahr für sie darstellte. Sie hatte sich schon zu lange hier ausgeruht, doch während sie über ihre nächste Reise nachdachte, mußte sie ihre Neugier unterdrücken, denn ein bißchen interessierte es sie schon, wer dieses Ungeheuer erschaffen hatte und warum.
     
    Das schwarze Einhorn, das an der Grenze des Labyrinths zwei Söldner und einen Bettler getötet hatte, begann bei Sonnenaufgang seinen Grauenszug durch die belebte Hauptstraße, die sich so rasch leerte, wie sie sich gefüllt hatte. Da wendete das Einhorn, als schwarzer Schandfleck in der strahlenden Helligkeit des neuen Tages, und setzte seinen Amoklauf fort, die Glibbergasse hoch, in Richtung Basar.
     
    »Du bist also zurückgekommen!«
    Lalo mußte sich an den Türrahmen lehnen, während sein Cape den kraftlosen Fingern entglitt und auf den Boden fiel. »Das Einhorn …«, flüsterte er. »Sie sagten, es sei auf dem Weg hierher …« Blinzelnd schaute er sich um und stellte fest, daß die Küche noch genauso war, wie er sie vor einem endlosen Tag verlassen hatte. Er sah die Farbe von den weißgetünchten Wänden abbröckeln; sah, daß der schiefe Boden sauber geschrubbt war; er sah die Gesichter seiner Kinder, die ihm entgegenblickten, sogar Vandas Freundin Valira war hier. Und er sah Gilla unter ihnen stehen, wie die Statue von Shipri Allmutter in Ils’ Tempel. Erschauernd zwang er sich, sich ihrem Blick zu stellen. Seine Entschuldigung, die er auf seinem stolpernden Rückweg immer wieder vor sich hingemurmelt hatte, zitterte auf seinen Lippen, aber er fand die Worte nicht mehr.
    »Nun«, sagte Gilla schließlich. »Es sieht nicht so aus, als hättest du dein Besäufnis genossen!«
    Krächzendes Lachen entrang sich Lalos Brust. »Besäufnis! Wenn es das nur gewesen wäre!« Ein plötzliches Grauen schüttelte ihn, während sein Blick durch die friedliche Stube flog. Das Einhorn war sein Werk – was wäre, wenn es ihm gelang, ihn hier aufzuspüren? Er würgte, legte die Hand um den Türknauf und sammelte seine Kraft, um wieder zu gehen.
    »Papa!« rief Wedemir. Im gleichen Augenblick änderte sich endlich Gillas Miene.
    »Draußen treibt ein Ungeheuer sein Unwesen! Du darfst da nicht hinaus!«
    Lalo starrte sie an. Hysterisches Gelächter quoll in ihm hoch, und es ging über seine Kraft, es zu unterdrücken. »Ich – weiß …« Er schnappte nach Luft. »Ich habe es – erschaffen …«
    »O du Unglückseliger!« rief sie. Mit einem schnellen Schritt stand sie neben ihm, und er blickte ängstlich auf. Doch schon legten ihre fleischigen Arme sich um ihn. Flüchtig bemerkte Lalo Wedemirs erstauntes Gesicht hinter ihr, ehe sein Kopf Zuflucht an ihrem Busen fand.
    Und dann war für einen Augenblick die Welt wieder in Ordnung. Er war sicher

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