Sturm über Freistatt
Schönheit wie die einer Klinge, getempert und geschliffen in mehr Jahren und Ländern, als Lalo sich vorzustellen vermochte. Und der nie endende Schmerz versagter Erfüllung und immerwährender Liebe, die unausgesprochen blieb. Die Gerüchte im Basar hatten nur vage Hinweise auf die Macht Lythandes gegeben, und den Preis, den der Adept dafür bezahlt hatte, nicht einmal angedeutet – den sie bezahlt hatte, denn Lalo kannte Lythandes Geheimnis nun.
»Aber Ihr …« Seine Verwunderung entlockte ihm diese Worte, und da blitzte der Stern auf Lythandes Stirn plötzlich. Lalos empfängliche Nerven spürten das Pochen der Macht, und abrupt erkannte er die Gefahr. Er preßte die Lider zusammen. Etwas Macht hatte er vielleicht, doch eine vage Erinnerung sagte ihm, daß nur ein echter Zauberer die Entblößung des Geheimnisses eines Blau-Stern-Adepten überleben konnte.
»Ich verstehe.« Die Stimme des Adepten klang weich und doch furchterregend.
»Meister, bitte!« flehte Lalo verzweifelt. Er versuchte, ihr ohne Worte mitzuteilen, daß auch er verstand. »Ich kenne die Gefahr von Geheimnissen – ich habe Euch meines anvertraut und bin in Eurer Macht. Wenn es irgend jemanden in dieser Stadt gibt, der Euch etwas bedeutet, dann zeigt mir bitte, wie ich das Böse, das ich geschaffen habe, ungeschehen machen kann!«
Ein langer Seufzer antwortete ihm. Das Gefühl der Gefahr ließ nach. Nun rutschte Gilla unbehaglich auf der Couch, und Lalo wurde bewußt, daß auch sie den Atem angehalten hatte.
»Nun gut …« Aus Lythandes gemessener Stimme schwang bitterer Humor. »Unter einer Bedingung: Ihr müßt mir versprechen, daß Ihr nie mich malt!«
Schwindelig vor Erleichterung öffnete Lalo die Augen und achtete darauf, nicht in ihre zu blicken.
»Doch ich warne Euch, Rat ist alles, was ich Euch geben kann«, fuhr Lythande fort. »Wenn das Ungeheuer Euer Werk ist, müßt Ihr selbst es in den Griff kriegen.«
»Aber es wird ihn töten!« rief Gilla.
»Vielleicht«, entgegnete der Adept. »Aber wer mit Macht spielt, muß auch bereit sein, dafür zu bezahlen.«
»Was …« Lalo schluckte. »Was muß ich tun?«
»Zunächst müßt Ihr seine Aufmerksamkeit auf Euch lenken …«
Lalo saß auf der Kante einer der wackligen Bänke im Wilden Einhorn und spielte nervös mit der zusammengerollten Leinwand in seinen Händen. Wedemir – wo bist du jetzt? Sein Herz sandte einen qualvollen Ruf aus, als er sich vorstellte, wie sein Sohn auf der Suche nach dem Einhorn durch dunkle Straßen irrte. Lythandes Plan hatte ergeben, daß sie alle den Preis bezahlen mußten: Wedemir, der der Gefahr entgegenschritt, und sie, die hier warteten, daß er das Einhorn herlockte.
Lalo holte zitternd Atem, dann noch einmal und bemühte sich um Ruhe. Lythande hatte ihm gesagt, daß er sich vorbereiten müsse, aber Lalos überreizte Nerven machten ihm den blauen Puls von des Adepten Anwesenheit nur allzu bewußt, ebenso, wie er sich Cappen Varras bewußt war, der, mit der Hand um sein Amulett verkrampft, in der Nähe saß, und Gillas – ihrer vielleicht am stärksten, denn von ihr gingen Kraft und Angst und Liebe gleichermaßen aus.
Vielleicht mißfiel es ihr einfach, sich im Wilden Einhorn aufhalten zu müssen. Doch daß sie hier war, bewies ihr Vertrauen zu Lythande, die gesagt hatte, das Einhorn müsse diese Dimension durch das selbe Tor verlassen, durch das es gekommen war.
Aber war dies wirklich das Wilde Einhorn oder nur der Alptraum eines Betrunkenen? Es war so furchtbar still! Nach einer kurzen, doch heftigen Auseinandersetzung zwischen Eindaumen und Lythande hatte der Adept den paar Gästen die Tür gewiesen, die sich noch an den Geburtsort des schwarzen Einhorns wagten, und die Tische aus der Nische und der Mitte der Wirtsstube zur Seite geräumt. Lalo starrte auf die unebene weiße Stelle an der Wand, wo sich sein Bild befunden hatte. Zitternd wandte er den Blick ab, der daraufhin ungewollt auf die neuen dunklen Flecken auf dem Boden fiel. Hastig schloß er die Augen.
Atme! mahnte er sich. Um Wedemirs willen – du mußt die Kraft finden!
»Ich hätte es nie zulassen dürfen!« Gillas Flüstern drückte Lalos Ängste aus. »Mein armer Sohn! Wie konntest du dulden, daß er sich opfert? Du hättest meinen Kleinsten verbrennen lassen und schickst deinen Ältesten aus, damit er von einem Dämon aus der Hölle aufgespießt wird – ein feiner Vater bist du mir!«
Lalo spürte, wie sie Kraft für eine neue Anschuldigung sammelte. Fast war
Weitere Kostenlose Bücher