Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sturm über Freistatt

Titel: Sturm über Freistatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
Vom Netzwerk:
machte einen Schritt auf Lalo zu, dann einen zweiten, voll Verachtung für die anderen ringsum. Sein Blick war wie eine schreckliche, intime Berührung von Lalos Seele, und plötzlich erinnerte sich Lalo, daß es das Böse in ihm war, das sich bei seiner Erschaffung des Einhorns mit allem anderen in Freistatt zusammengetan hatte. Lalos Teil in der Kreatur sehnte sich nach einer Wiedervereinigung, und ein Widerhall vibrierte in den geheimen Tiefen der Seele des Malers. Wie leicht es doch wäre – einfach nachzugeben. Lythande kauerte reglos in der Haltung eines lauernden Raubtiers. Als Lalo schwankte, stapfte das Einhorn an ihr vorbei. Sofort streckte sie ihren Stab aus und blaues Licht schoß über den Kreis zu Gilla, von dort zu Cappen Varra, dann zu Wedemir, der nun Lalos alten Platz bei der Wand einnahm, danach zu Nachtschatten und zurück zu Lythande, ehe das Ungeheuer sich weiterbewegen konnte.
    Es brüllte und drehte sich, doch die glühenden Linien des Pentagramms hielten es gefangen. Voll Schrecken erkannte Lalo, daß das auch für ihn galt. Dann verhielt das Einhorn sich still, es beschäftigten sich mit der Barriere. Seine Schwärze pulsierte, und Lalo sah Gesichter in stummer Qual verzerrt. Als er seine eigenen Züge darunter erkannte, rollte er hastig die Leinwand auf, die er unter den Arm geklemmt hatte.
    Das Einhorn hörte das Rascheln und drehte sich langsam um. Die Arbeit einer halben Nacht kam zum Vorschein, und Lalo fragte sich verzweifelt, ob sie wirklich nutzen würde. Er holte tief Luft, schloß die Augen und stellte sich Ils’ Antlitz vor. Seine Bewußtheit stockte, festigte sich, und einen zeitlosen Moment war er dort, und diesmal wandte er den Blick nicht ab. Das Strahlen des göttlichen Antlitzes blendete und sengte ihn und verbrannte jenen Teil seines Ichs, der auf das Einhorn angesprochen hatte. Noch stärker wurde das Leuchten, bis Lalo erkannte, daß selbst das strahlende Gesicht Ils’ nur eine Maske jenes geringsten Teiles gewesen war, der in der Sonne und den anderen Sternen brannte.
    Und dann fiel er, wirbelte er schwindelerregend in das Gefängnis seines menschlichen Körpers zurück. Immer noch geblendet, hauchte Lalo seinen angehaltenen Atem über die Leinwand in seinen verkrampften Händen.
    Das Einhorn schrie, als es die Geburt seines Feindes spürte. Lalo fühlte, wie die Leinwand erzitterte. Licht brach und verteilte sich über den Boden, Kristallschwingen flatterten aufwärts in Dreidimensionalität. Lalo hatte einen weißen Vogel gemalt, ähnlich dem, den er für die Götter gezeichnet hatte, und Lythandes kühle Stimme und gestikulierenden Finger hatten ihn in eine Trance versetzt, die ihm half, sein Gedächtnis aufzufrischen.
    Doch er erkannte das Wunder nicht, das hier zu Leben erwachte, es war ein Adler, ein Phönix, ein Schwan – all das war es in einem, und noch mehr. Der gewaltige Vogel riß den leuchtenden Schnabel zum ohrenbetäubenden Schrei auf, Krallen öffneten und schlossen sich, die Schwingen wirbelten Wind auf, und das Geschöpf war frei.
    Lalo sank auf die Fersen und keuchte, als die Schwärze des Einhorns unter einem Sturm weißer Schwingen verschwand. Der Kampf zwischen Feuer und Eis und Dunkelheit jagte opalschillernde Blitze durch die Stube. Das Einhorn bäumte sich auf und warf sich auf seinen Feind. Lalo kauerte reglos im Auge des Sturmes.
    Zwischen einem Angriff und dem nächsten, hörte er jemanden seinen Namen rufen. Blaues Licht stach durch seine geschlossenen Lider. »Lalo – öffnet das Tor!«
    Lalo zwang seine Beine, ihn zu Lythande zu tragen. Das Pentagramm versengte ihn, doch der Stab des Adepten öffnete es für ihn, und er war hindurch. Und gerade noch rechtzeitig, denn der Vogel des Lichtes jagte das Einhorn mit einem Sturm, auf den selbst Vashanka stolz gewesen wäre. Lalo plagte sich auf die Füße. Licht folgte seinem Finger, als er die helle Stelle an der Wand nachfuhr, wo er das Einhorn gemalt hatte.
    Als er fertig war, fiel seine Hand herab, und die Wand innerhalb der gezogenen Umrisse fing zu schimmern an. Sie begann sich aufzulösen, und eine unendliche schwarze Kluft öffnete sich, in der Lichtpunkte pulsierten. Ein unterschwelliges Singen vibrierte in Lalos Ohren, seine Sicht verschwamm, und da riß eine kräftige Hand um seinen Arm ihn aus dem Weg der Schwärze, die an ihm vorbei auf die endlose Leere zuschoß, gefolgt von einem Lichtstrahl. Lalo streckte schützend einen Arm aus, als er fiel, und schrie, denn der letzte

Weitere Kostenlose Bücher