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Sturm über Freistatt

Titel: Sturm über Freistatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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mit Nachtschatten, dem Dieb, die Stadt verlassen hatte. Illyra konnte nicht an die gewaltige Frau denken, die ihr Recht verteidigt hatte, S’danzo in Freistatt zu sein, ohne daß sie die Trauer um sie überwältigte. Sie wollte die Kordel vor den Eingang spannen, dem Gesicht den Rücken wenden und sich ihrem Leid hingeben. Aber sie kamen mit ihren Münzen und forderten, und Illyra wußte nicht, wie sie sie wegschicken könnte. Dubro half, er schüchterte die ein, von denen Gefahr ausging, doch diesen Kerl hatte er eingelassen. Ihr Zeigefinger streifte über das Goldstück. »Wenn die Antwort zu erfahren ist, erkenne ich sie manchmal.« Sie raffte ihre Röcke über einen Arm, ließ sich hinter dem Tisch nieder und bedeutete dem Burschen, sich auf den Hocker davor zu setzen. Das Gold lag noch auf dem Filz, und die Seide war noch um ihre Karten gewickelt, als er mit seiner Geschichte begann.
    »Ich habe gestern nacht ein Schwein abgestochen. Am Schimmelfohlenfluß – um Glück zu haben. Ich brauche viel Glück!«
    Illyra spürte die ersten Lügen in der Luft zwischen ihnen. Freistatt war voll von beysibischen Bäuchen; und Ranke, das sich mit seinen Kriegen selbst vernichtete, schwand allmählich aus diesem Winkel des einst großen Reichs. Selbst Kanalratten müßten es besser wissen, als ein Schwein für beysibisches Gold zu verkaufen und mit dem Gold Glück erstehen zu wollen.
    »Ich – ich brachte das Blut zu – zu einem Ort, einem geheimen Ort. Meinem und Vashankas. Ihm gab ich das Blut.«
    Illyra legte die Karten zur Seite und unterdrückte einen Schauder. Im Gegensatz zu vielen S’danzofrauen im ganzen Reich hatte Illyra das Zweite Gesicht wirklich. Eine S’danzo schlug sich durch, indem sie ihren Kunden zuhörte, ohne zu lachen, und die Karten benutzte, um sich etwas zusammenzureimen. Illyra bediente sich der Karten zur Erleuchtung und damit sie ihr den Weg wiesen, wenn das Gesicht über sie kam. Doch sie brauchte keine Erleuchtung, als dieser Bursche sich alles von der Seele redete.
    »Es war wie ein Wind! Es war heiß und kalt, naß und trocken, alles gleichzeitig!«
    »Dann kann es kein Wind gewesen sein«, entgegnete sie, obgleich sie die Wahrheit seiner Erinnerungen um sich wirbeln sah. Es war ganz ungewohnt für das Gesicht, daß es sich so unbeherrscht bemerkbar machte. Sie versuchte es zu zügeln.
    »Es war ein Wind! Und das Blut – das Blut war mit Funken bedeckt!«
    Sie sah den geheimen Ort in seinem Gedächtnis: ein verlassener Altar im Sumpf, den die Kanalratte entdeckt hatte. Und jetzt betete der Bursche davor, ohne zu wissen, für wen er einst errichtet worden war. Blutopfer auf moosüberwucherten Steinen – nicht Blut von Schweinen, sondern von Menschen: beysibisches Blut und Teile des Körpers, die von der Leiche gehackt waren, als Opfergaben in dieser privaten Andacht. Illyra spürte den unheiligen Wind um ihn peitschen, während der Rest des Sumpfes erstarrte, und sah die bläulich weißen Flammen auf dem Blut tanzen. Sie hörte das schrille Gelächter eines Kindes, als die grausigen Stücke auf dem Altar von den Flammen verzehrt wurden. Dann verschwand das Gesicht, und nur dieser zerlumpte, verstörte Bursche war da, der sich Zip nannte und seinen wahren Namen sogar vor sich selbst zu verheimlichen suchte.
    Er starrte sie an.
    »Also, was seht Ihr? Hat der Sturmgott mich erhört? Schenkt Vashanka mir seine Gunst? Kann ich ihn an mich binden? Verkauft mir einen Trank, um den Sturmgott zu binden!«
    Sie wollte ihn wegschicken. Die S’danzo wollten nichts mit Göttern zu tun haben und waren am glücklichsten, wenn die Götter nichts mit ihnen zu tun haben wollten. Es spielte keine Rolle, daß sie seine Fragen beantworten konnte. Er hatte ihr Gesicht auf den Gott gerichtet, und sie wollte, daß er und alle seine Erinnerungen verschwunden waren, ehe ER sie bemerkte. Doch immer noch vermochte sie das Gelächter zu hören, und bedeutete das nicht, daß der Schaden bereits angerichtet war, ob sie ihm nun antwortete oder nicht?
    Der Bursche schloß aus ihrem Schweigen fälschlich, daß sie beabsichtigte, ihn zu hintergehen. »Kommt mir nicht mit Suveshgeschwätz!« Er langte über den Tisch und faßte sie am Handgelenk.
    »Geh zu den Priestern, wenn du mit dem Sturmgott reden willst«, entgegnete sie eisig und löste ihre Hand mit einer flinken, aber kaum merklichen Bewegung, wie er sie noch nie zuvor gesehen oder gespürt hatte. Wäre der Schmied nicht gewesen, der draußen im Sonnenschein

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