Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
Vom Netzwerk:
huldigen, erschienen gleich darauf vier von Requins Angestellten und halfen, die schnarchende Madam Corvaleur an einen diskreteren Ort zu verfrachten.
    »Bei den Göttern, es muss doch schrecklich langweilig sein, zuzusehen, wie wir Nacht für Nacht versuchen, uns gegenseitig kirre zu machen«, meinte Jean. Er schnippte dem Croupier eine Fünf-Solari-Marke zu; es war üblich, ihm eine kleine Anerkennung zu überlassen.
    »Keineswegs, Sir. Wie viel Wechselgeld darf ich Ihnen herausgeben?«
    »Wer hat was von Wechselgeld gesagt?« Jean lächelte. »Behalten Sie alles.«
    Zum zweiten Mal in dieser Nacht gab der Croupier zu erkennen, dass er nicht völlig frei von Emotionen war; er verdiente relativ gut, doch dieser kleine hölzerne Chip entsprach der Hälfte seines Jahreseinkommens. Er unterdrückte einen überraschten Ausruf, als Locke ihm noch ein Dutzend Spielmarken zuwarf.
    »Geld muss im Umlauf bleiben«, erklärte Locke. »Vielleicht kaufen Sie sich ein Haus.
    Im Augenblick fällt mir das Nachzählen ein bisschen schwer.«
    »Grundgütige Götter – haben Sie tausend Dank, meine Herren!« Der Croupier blickte hastig in die Runde, dann flüsterte er: »Diese beiden Damen verlieren nur sehr selten, wissen Sie. Soweit mir bekannt ist, war dies das erste Mal.«
    »Für den Sieg werde ich teuer bezahlen«, bekannte Locke. »Ich nehme an, wenn ich morgen früh aufwache, wird mein Kopf mir verraten, wie hoch der Preis war.«
    Madam Corvaleur wurde vorsichtig die Treppe hinuntergehievt, während Madam Durenna hinterherging und die Männer, die ihre Spielpartnerin trugen, nicht aus den Augen ließ. Die Menge zerstreute sich; die Zuschauer, die an ihren Tischen blieben, riefen nach Bedienung, bestellten sich Erfrischungen und neue Karten, um ihre eigenen Spiele fortzusetzen.
    Locke und Jean rafften ihre Chips zusammen (im Handumdrehen besorgte der Croupier ihnen neue, um die Marken, die Madam Corvaleur besabbert hatte, zu ersetzen), verstauten sie in den vom Haus bereitgestellten, mit Samt ausgeschlagenen Holzkästchen und steuerten auf die Treppe zu.
    »Ich gratuliere Ihnen, meine Herren«, sagte der Kasinoangestellte, der den Aufgang zur sechsten Etage bewachte. Von oben hörte man das Klirren von aneinanderstoßenden Gläsern und Stimmengemurmel.
    »Danke«, antwortete Locke. »Aber wäre Madam Corvaleur nicht kollabiert, hätte mir in der nächsten oder übernächsten Runde dasselbe Schicksal geblüht.«
    Langsam stiegen er und Jean die Treppe hinunter, die sich an der Innenseite der Mauer des Sündenturms in einer Spirale nach unten schraubte. Sie waren gekleidet wie distinguierte, wohlhabende Herren, die mit der Mode gingen; ihre teure Garderobe entsprach genau dem Trend, der in diesem Sommer in Verrari en vogue war. Locke (der seine Haare mithilfe von Alchemie zu einem wie von der Sonne gebleichten Blond aufgehellt hatte) trug einen taillierten, karamellbraunen Rock mit weit gebauschten, knielangen Schößen; die großen, dreitägigen Manschetten waren mit orangefarbenen und schwarzen Streifen paspeliert, und der Clou waren die Zierknöpfe aus echtem Gold. Auf eine Weste hatte er verzichtet, doch seine Tunika aus feinster Seide und das lose geschlungene schwarze Halstuch waren auch so schweißdurchtränkt. Jean hatte sich ähnlich ausstaffiert; sein Rock war graublau, wie das Meer unter einem wolkenverhangenen Himmel, und um den Bauch hatte er eine breite schwarze Schärpe geschlungen, die farblich exakt zu seinem kurzgetrimmten, krausen Bart passte.
    Auf ihrem Weg nach unten passierten sie die Etagen, auf denen sich die Reichen und Schönen tummelten; ihnen begegneten die Königinnen der Verrari-Handelswelt, die sich mit ihren jugendlichen Lustobjekten beiderlei Geschlechts schmückten und sie am Arm mit sich führten, als seien sie irgendwelche Schoßtiere. Sie kamen vorbei an Männern und Frauen mit gekauften Lashani-Titeln, die über Karten und Weinkaraffen hinweg Dons und Donas aus Camorr anstarrten, denen sie sich standesmäßig überlegen fühlten. Sie sahen Vadranische Schiffskapitäne in eng geschnittenen schwarzen Röcken, deren auf See erworbene Bräune ihre scharfgeschnittenen, bleichen Züge wie eine Maske überdeckte. Locke erkannte mindestens zwei Mitglieder der Priori, eines aus Kaufleuten bestehenden Rates, der theoretisch Tal Verrar regierte. Die Mitglieder schienen sich in erster Linie dadurch auszuzeichnen, dass sie bestechlich waren.
    Würfel rollten und Gläser klirrten; die Gäste lachten,

Weitere Kostenlose Bücher