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Sturm über Sylt

Sturm über Sylt

Titel: Sturm über Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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Rechten? Einen von den Pflöcken, die ihr Vater für einen Zaun gebraucht hatte, um den Gemüsegarten vor den Kaninchen zu schützen?
    Aletta schob die Tür weiter auf, stieß jedoch bald an einen Widerstand. Etwas Schweres, das sich nicht wegschieben ließ, dessen Berührung aber kein Geräusch erzeugte.
    »Ich konnte nichts dafür«, keuchte Insa. »Ich musste mich doch wehren. Ich konnte nicht zulassen ...«
    Weiter ließ Aletta sie nicht kommen. Gewaltsam vergrößerte sie den Türspalt weiter und zwängte sich hindurch. Und dann sah sie es endlich. Zu ihren Füßen lag Hauptmann Eberhard Kalkhoff, bäuchlings, lang hingestreckt, die Arme berührten die gegenüberliegende Wand, als hätte er versucht, sich abzustützen. Er trug lediglich eine dunkle Sporthose und ein graues Unterhemd. Ein Bein lag angewinkelt unter seinem Unterkörper, der Fuß des anderen Beins auf der unteren Treppenstufe. Er blutete aus einer tiefen Wunde am Hinterkopf, sein Gesicht lag in einer Blutlache, die sich von Sekunde zu Sekunde vergrößerte.
    Aletta tastete am Hals nach seinem Puls. Sie konnte keinen ertasten. Verzweifelt rüttelte sie an dem bewegungslosen Körper, aber ohne Erfolg. Es gab keinen Zweifel, und sie merkte, dass Insa es längst eingesehen hatte: Hauptmann Kalkhoff war tot.
    Plötzlich begann Insa zu schluchzen. »Er wollte mich vergewaltigen.«
    Als hätte Sönke auf eine andere Angst gewartet, stieß er nun wieder seine eigene hervor. Dass es ihm nicht möglich war, sich an den Ort des Geschehens zu begeben, dass er ans Bett gefesselt war, machte es für ihn sicherlich nicht einfacher. Er weinte und schrie, als könnte er die Angst vor dem unbekannten Unglück nicht länger ertragen.
    »Geh und beruhige ihn!«, sagte Aletta.
    Insa stieg die Treppe hoch, ließ den Pflock polternd zu Boden fallen und lief in Sönkes Verlies. Aletta hörte, wie sie ihn unbeherrscht anschrie. Er solle endlich den Mund halten, wenn er nicht heute noch erschossen werden wolle. Und das sei alles nur seinetwegen passiert. »Damit du nicht erwischt wirst! Also sorg gefälligst dafür, dass das Ganze einen Sinn hatte, und mach jetzt nicht alles kaputt!«
    Aletta war sicher, dass Sönke nichts verstanden hatte, aber wenigstens war er jetzt ruhig. »Hoffentlich hat ihn keiner gehört«, stöhnte Insa, als sie zurückkehrte.
    Aletta erhob sich und stellte sich zu Insa auf dieselbe Treppenstufe. »Was ist passiert?«
    Insa drehte sich um, wandte Hauptmann Kalkhoff den Rücken zu. »Er ist ins Haus gekommen, ohne dass ich es bemerkt habe.«
    »Die Haustür war verschlossen.«
    »Er muss durch die Küche gekommen sein. Ich wollte gerade zu Bett gehen, aber vorher noch mal nach Sönke sehen. Plötzlich stand er hinter mir. Dieser widerliche Kerl! Hat mich angegrinst und gesagt: ›Jetzt bist du dran.‹«
    Aletta sah sich um. »Hier oben? Auf dem Speicher?«
    Insa brach so unvermittelt in Tränen aus, dass Aletta erschrak. »Nichts wäre passiert, wenn Sönke den Mund gehalten hätte! Aber er hat nach mir gerufen. Dieser Idiot!«
    »Kalkhoff hat begriffen, wer Sönke ist?«
    »Natürlich! Daraufhin hat er geglaubt, dass er noch leichteres Spiel hat.«
    »Aber du hast dich gewehrt?«
    »Was hätte ich sonst tun sollen? Wenn ich nachgegeben hätte, wäre er morgen wieder hier aufgetaucht. Er hätte mich in der Hand gehabt. Uns alle! Wir wären keine Minute mehr vor ihm sicher gewesen.«
    »Und da ... da hast du ihn erschlagen?«
    »Er hat mich angegriffen. Er wollte mich zwingen.« Sie wies auf ihre Bluse, von der die Knöpfe abgesprengt waren. Das Unterhemd, das darunter hervorschaute, war eingerissen. »Und dann lag da dieser Pflock. Ich habe blindlings danach gegriffen. Er wollte vor mir hergehen, die Treppe runter, er war ja so siegessicher, dass ich ihm folgen würde ...« Insa schluchzte auf. »Und da ...«
    »... hast du zugeschlagen?«
    Insa nickte. Widerstandslos ließ sie sich von Aletta umarmen und konnte an ihrer Brust sogar weinen. Nicht schluchzen, sondern weinen in einem langen Fluss ohne Stromschnellen.
    Aus Sönkes Verlies drang ein unterdrücktes Jammern, das Bettgestell knarrte, anscheinend versuchte er, sich zu erheben.
    Sanft schob Aletta ihre Schwester von sich. »Das war Notwehr«, sagte sie. »Du hast nichts zu befürchten.«
    »Was hilft das?«, weinte Insa. »Wir können nicht die Polizei holen. Sollen wir sie auf diesen Speicher führen? An den Tatort? Sie werden Sönke entdecken!«
    Dies war der Moment, in dem Aletta erst

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