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Sturm ueber Thedra

Sturm ueber Thedra

Titel: Sturm ueber Thedra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Stuhr
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seinen Augen, als er erkannte, dass er verloren hatte. Er mußte dasselbe empfunden haben, wie Teri damals im Hafen von Tigan. Er war mit Sicherheit ein guter Bogenschütze - jung, schnell und zielsicher! Die plötzliche Erkenntnis der eigenen Verletzlichkeit, das Bewußtsein, nicht der Beste zu sein, besiegt und ausgeliefert dazuliegen, hatte ihn schlimmer verletzt als Teris Dolch.
    Teri konnte es sehr gut nachempfinden, wie er sich gefühlt haben mußte. Wie sich die Steine des Weges in seinen Rücken gedrückt hatten, als seine Todfeindin über ihm stand, hart, unerbittlich, kein Ausweichen, keine Flucht, keine Gegenwehr erlaubend!
    Sicher war er wie im Traum hinter ihr hergegangen, hatte sie in das Gebüsch huschen sehen und sich einen Plan zurechtgelegt. Vielleicht war ein Preis auf Teris Kopf ausgesetzt, den er sich verdienen wollte, vielleicht hatte er nur aus Ehrgeiz auf sie geschossen. - Auf jeden Fall war er bis dahin der unbesiegbare Bogenschütze gewesen, der noch nie verwundet worden war, sonst hätte er vielleicht anders gehandelt. Das Erwachen aus seinem soldatischen Selbstverständnis hatte nur noch einen wehrlosen Menschen zurückgelassen, der um sein Leben bangte.
    "Ja, Soldat!", sprach Teri leise vor sich hin. "Es sind nicht immer nur die Anderen, die verlieren - das wissen wir jetzt beide!"
    Teri ging. Ab und zu schaute sie sich um. Von Verfolgern war nichts zu sehen, aber Teri wußte, dass es sie gab. Gleichmäßig ging sie den Weg entlang und atmete im Takt ihrer schnellen Schritte. Bis zum Einbruch der Dunkelheit würde sie die Geschwindigkeit wohl halten können, aber irgendwann würden ihre Kräfte erlahmen. Bis dahin mußte ihr etwas eingefallen sein. Sie brauchte eine Rast. Sie brauchte Schlaf! - Und wenn sie erst einmal schlief, dann würde es der Schlaf der Erschöpfung sein, ein tiefer Schlaf, der sie zu einem leichten Opfer werden ließ. Teri brauchte ein sicheres Versteck, oder wenigstens einen guten Plan - aber ihr wollte einfach nichts einfallen! Unruhig glitt ihr Blick über das Moorland, das sich auf beiden Seiten des Weges bis zum Horizont erstreckte. Dort weiter als bis zur Wassergrenze hineinzugehen, war das sichere Todesurteil!
    Teri schaute sich um. Noch waren keine Verfolger zu sehen.

    Szin wurde unruhig. Es war nicht die furchtsame Unruhe des Ängstlichen, viel eher die wachsame Unruhe des Raubtieres. Langsam senkte sich die Dämmerung auf das Land, und noch immer liefen die Spuren vor ihm unbeirrbar geradeaus. Kein Stolpern und kein Schwanken war im Gang der Hüterin festzustellen, wogegen seine Bogenschützen schon jetzt mehr taumelten als marschierten.
    Wie weit mochte dieser Weg noch geradeaus führen? Wohin führte er überhaupt? Gab es denn keine Menschen, keine Dörfer an dieser Strecke? Die Jagd nahm für Szin etwas Unwirkliches an, so, als gäbe es auf der ganzen Welt nur noch ihn und die Frau die er verfolgte. Auf seine Bogenschützen zählte er nicht mehr. Irgendwann, bald schon, würden sie zurückbleiben. Dann würde es wirklich nur noch die Spuren der Frau geben, die von den seinen überlagert wurden. Und am Ende dieser Spur würde er sie finden. Finden und bestrafen! Bestrafen für all das, was sie getan hatte - und sie hatte vieles getan, was Szin nicht gefiel.
    Szin würde seine Belohnung erhalten, so wie er sich immer seine Belohnung nahm. - Nicht der Kopf der Frau interessierte ihn. Der Kopf würde nur eine Erinnerung sein, ein schwaches Abbild der Universen des Schmerzes, die er in ihr aufflammen lassen würde. Er würde sie büßen lassen. Jedes Jahr, jeden Tag, jeden Augenblick ihres Lebens sollte sie bereuen!
    Einer der Bogenschützen stolperte, fiel auf die Knie und blieb zurück. Szin achtete nicht darauf. Er würde den Mann töten, wenn er ihn je wiedersah. - Aber das war jetzt nicht wichtig. Um solche Dinge konnte er sich kümmern, wenn die Jagd zu Ende war.
    Langsam senkte sich die Sonne schräg hinter Szin auf den Horizont hinab. Bei Dunkelheit konnte die Hüterin den Abstand leicht vergrößern, wenn ihre Kräfte nicht erlahmten. Sie konnte sicher sein, dass keine Feinde vor ihr waren, während Szin bei jedem Busch am Straßenrand mit einem Hinterhalt rechnen mußte.
    Gab es eine Stadt in dieser Gegend? Szin wußte es nicht. Dörfer machten ihm keine Sorge. Dörfer konnte man umgehen. Dörfer konnte man zur Not auch anzünden, dann hatten die Bewohner Besseres zu tun, als eine durchreisende Fremde vor seiner Klinge zu schützen. - Schwieriger

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