Sturm ueber Thedra
war es da schon, wenn diese Hündin sich in einer befestigten Stadt verkroch und vielleicht sogar die Stadtwache dazu brachte, ihm entgegenzugehen. Dann würde es ungemütlich werden.
Szin war zwar sehr überzeugt von sich, aber für unverwundbar hatte er sich nie gehalten. Spätestens an dem Tag, an dem man ihm als Achtjährigem auf dem Richtplatz von Sordos die Zunge herausgerissen hatte, waren ihm solche Gedanken vergangen.
Szin eb Szin war, wie der Name schon sagte, sein eigener Vater, was soviel hieß, dass der Mann, der seine Mutter geschwängert hatte, unbekannt war.
Das war nun keineswegs ungewöhnlich im Hafenviertel von Sordos, in dem der Knabe aufwuchs. Sordos war, vom strengen Regiment des Königs Odger einmal abgesehen, eine sehr lebenslustige Stadt, und die Kais waren der gewöhnliche Aufenthaltsort der Kinder der Dirnen.
Niemand wußte so recht, wovon diese Kinder eigentlich lebten, außer den Kindern selbst natürlich. Sie vertrieben sich die Zeit im Hafen mit dem Warten auf eine günstige Gelegenheit zu einem kleinen Diebstahl und betätigten sich als Schlepper für ihre Mütter. Manche von ihnen hatten es darauf abgesehen, betrunkenen Matrosen die Taschen auszuräumen, und andere trauten sich sogar, Passanten im Gedränge die Geldkatze vom Gürtel zu schneiden.
Das ging solange, bis die Jungen alt genug waren, um als Schiffsjunge auf einem Segler anzuheuern und die Mädchen in das Gewerbe ihrer Mütter eintreten konnten, womit sie unverzüglich dafür sorgten, dass der Nachwuchs an Hafenkindern nicht ausblieb.
Szin hatte zu keiner dieser Gruppen gehört. Nicht, dass er keinen Schneid gehabt hätte - wenn er eine Chance sah, dann holte er sich schon, was das Schicksal ihm anbot. Seine eigentliche Spezialität war aber etwas anderes. Er hatte sich schon früh zum Jäger herangebildet.
Es gibt Kinder, die mehr, und es gibt Kinder, die weniger Sympathie erwecken. Szin gehörte zu der dritten Sorte: Er war schon als Kind in der Lage, reinen Abscheu und puren Widerwillen bei den Menschen auszulösen.
Möglich, dass es daran lag, dass schon seine Mutter unter den Hafendirnen die verachtetste von allen war; möglich, dass es daran lag, dass alle behaupteten, sie habe sich mit einem Skorpion eingelassen und er stamme aus dieser Verbindung; möglich, dass die Schläge und Tritte, die er täglich erhielt, ihn zu der Überzeugung brachten, niemandes Freund sein zu wollen; auf jeden Fall hatte Szin schon im Alter von vier Jahren beschlossen, nur noch zu hassen.
Hassen und heimzahlen, das war seitdem sein Leben gewesen. Zuerst hatte er angefangen, mutwillig Dinge zu zerstören, wofür er sich wieder nur Schläge und Tritte einhandelte. Dann war er dazu übergegangen, Tiere zu quälen, was in Sordos niemanden sonderlich aufregte.
Schließlich war er in blindwütigem Haß auch auf seine Altersgenossen losgegangen, die sich, wenn sie nicht gerade selbst betroffen waren, köstlich über die Prügel, die andere einsteckten, amüsieren konnten. Szin hielt sich immer an kleinere Opfer, denen er sich gewachsen fühlte. Szin wurde der böse Geist der Piers von Sordos. Wo immer er auftauchte, gerieten ganze Scharen von Kindern in Bewegung, um sich unauffällig vor seinen Wutausbrüchen in Sicherheit zu bringen.
Als er knapp fünf Jahre alt war, hatte er ein Erlebnis gehabt, das seine Aggressionen kanalisierte und ihn für immer in die Rolle des Jägers drängte.
Er hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, jeden Tag einem bestimmten Mädchen aufzulauern, es in irgendeinen Winkel zu treiben und ihm irgendwie wehzutun. Eines Tages fiel ihm bei einem solchen `Spiel' ein schwerer Stein in die Hand. Ohne zu überlegen, holte er blitzschnell aus und schmetterte dem Mädchen den Stein mit voller Wucht auf den Kopf. Das Kind brach lautlos zusammen.
Gleichgültig war Szin davongegangen. Er fühlte sich betrogen. Er hatte es lieber, wenn seine Opfer schrien und zu entkommen versuchten.
Am nächsten Tag hatte er das Mädchen wieder getroffen. Das Haar des Kindes war noch blutverklebt gewesen. Drohend war er auf das Mädchen zugegangen. - Doch zu seinem Erstaunen war es nicht fortgelaufen. Es hatte ihm mit ängstlichem Gesicht ein Stück Brot entgegengehalten.
Szin hatte begriffen - und Szin war es recht. Der Hunger war in seinem jungen Leben genauso allgegenwärtig wie der Haß. Szin nahm das Brot und ließ das Mädchen in Ruhe - für diesen Tag.
Szin hatte es wirklich begriffen: Kaum ein Mensch ist in der Lage,
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