Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sturm ueber Thedra

Sturm ueber Thedra

Titel: Sturm ueber Thedra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Stuhr
Vom Netzwerk:
nun selbst ein gleißendes Licht ab. Das Klirren aus der Waffenwerkstatt wurde immer lauter.
    Jamik hatte Angst! Zwar wußte er nicht genau, was geschehen würde, wenn er die Stäbe an den Kristall heranführte, aber das machte es nicht besser. Er hatte hier eine Kraft entfesselt, die er noch nie erlebt, ja, von der er noch nicht einmal etwas gehört hatte. - Und jetzt war er dabei, dieser Kraft seinen Körper auszusetzen. Jamik hatte sehr große Angst. - Aber seine Konditionierung ließ ihm keine Wahl. Er brauchte sich nicht zu überwinden. Sein Körper handelte für ihn!
    Fassungslos spürte Jamik, wie seine Hände die kupfernen Kugeln fest umfassten und die Stangen auf den Kristall zuschoben. Jetzt erst begriff er die volle Tragweite seiner hypnotischen Prägung. - Er war nicht mehr sein eigener Herr! - Er wollte diese Stangen nicht an den glühenden, tobenden, Stein heranführen, der ihm dieses mächtige, unhörbare Geräusch entgegenschleuderte, aber seine Hände gehorchten ihm nicht! Jamik war zum Sklaven geworden. - Zum Sklaven seiner Zunft, die diese Handlung von ihm forderte, ob er nun dazu bereit war, oder nicht.
    Die Spitzen der Stangen waren nur noch etwa zwei Fingerbreit von der Mitte des Steins entfernt, als plötzlich alle Panik von Jamik abfiel. Noch fester umfaßte er die Enden der Stäbe und schob sie exakt in das Zentrum des hellsten Lichts.
    Jamik hatte gewußt, dass es sein Tod sein würde! Was sonst als der Tod konnte es sein, der ihm in genau diesem Moment die Seele aus dem Körper riß? - Unfähig, auch nur einen Muskel zu bewegen, stand er über die Truhe gebeugt und sah, wie feurige Fäden aus dem glühenden Stein drangen und sich mit rasender Geschwindigkeit, an den Kupferstäben entlang, auf seine Hände zu bewegten. Jamiks Brustmuskulatur versteifte sich, er konnte nicht mehr atmen. Sein Herz zog sich in einem wilden Krampf zusammen, bis es nur noch ein steinharter, blutleerer Klumpen war, der nutzlos in seiner Brust lag. - Und dann setzte dieses Gefühl ein, das nur den Tod bedeuten konnte!
    Es war Jamik, als werde sein Geist durch seine Arme in den Kristall gesogen. Die haarfeinen Glutfäden auf den Kupferstäben pulsierten, als sie all das aus dem Körper herausrissen, was Jamik ausmachte: Sein Wissen und Fühlen, seine Pläne, Wünsche und Hoffnungen, sein Haß und seine Liebe; alles wurde im Bruchteil eines Augenblicks in den Kristall hineingerissen. - Dann war es vorbei, und Jamik sackte, in einem letzten Reflex die verbrannten Handflächen unter dem Körper schützend, kraftlos vor der Truhe in sich zusammen.
    Wäre Jamik bei Bewußtsein gewesen, hätte er selbst hier oben, auf dem Gipfel der Königsklippe hören können, wie ein vielstimmiger Entsetzensschrei aus den Gassen Thedras empordrang. Einen winzigen Augenblick lang waren alle Gegenstände aus Metall mit einem Gewirr feuriger Fäden bedeckt gewesen. Gleichzeitig wurden die Träger solcher Gegenstände von einer furchtbaren Schockwelle gelähmt. Besonders betroffen waren von dieser Erscheinung natürlich die dramilischen Schwertkämpfer, die in den Straßen patrouillierten. Ihre Waffen verwandelten sich urplötzlich in knisternde Felder reiner Energie, die in die Körper der Dramilen fuhr und den Männern das Gefühl gab, das Herz werde ihnen herausgerissen.
    Zwar waren auch einige Thedraner von der Erscheinung betroffen, aber da keiner von ihnen etwas so Großes wie ein Schwert bei sich trug, war der Effekt bei weitem nicht so stark wie bei den entsetzten Dramilen. Augenblicke nach dem Ende der Erscheinung hallten die Gassen der Stadt vom Klirren der hastig fortgeworfenen Schwerter wider, und nur zögernd und ängstlich nahmen die Soldaten die Waffen wieder auf. - Ein böses Omen für die Besatzer Thedras. - Die Stadt wurde ihnen immer unheimlicher.

    Das Hochland Estadors wurde im Südosten durch das Große Gebirge vom restlichen Kontinent abgeschnitten. Diese Tatsache hatte das unwirtliche Land vor Zeiten zu einem idealen Verbannungsort gemacht. Wer einmal auf den äußersten nordwestlichen Zipfel des Kontinents gebracht worden war, mit dem hatten seine Feinde nicht mehr rechnen müssen, denn das Große Gebirge war unüberwindlich, und niemals war es einem menschlichen Wesen gelungen, es zu durchqueren.
    Allerdings funktionierte die Barriere auch vorzüglich zur anderen Seite hin. - Nach der Revolution der Ur-Thedraner hatte der damalige Kaiser eine stattliche Strafexpedition ausgesandt, die den Auftrag hatte, das

Weitere Kostenlose Bücher