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Sturm ueber Thedra

Sturm ueber Thedra

Titel: Sturm ueber Thedra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Stuhr
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Verwandten in Thedra nicht den Steuereintreibern in die Hände fielen. - Natürlich waren diese Gebete vergebens.
    Die Steuereintreiber des Königs gingen im Fall Moorstadt lieber den sicheren, bequemen Weg. Statt die tagelange Reise in die entlegene Provinz auf sich zu nehmen, warteten sie lieber, bis die Moorstädter kamen, um ihre Körbe zu verkaufen. Bei der Anreise den Zoll für die Waren kassieren zu wollen, wäre sinnlos gewesen. Die Moorstädter hatten kein Geld. - Das hatten sie nie! So wurde für jeden Händler bei der Einreise eine Warenbestandsliste auf einer Tontafel angefertigt. Dann durften die Moormenschen nach Thedra hinein. Dort wurden die Körbe auf dem Platz am Schneckenhafen angeboten, wo sich jedes Jahr Hausfrauen und Fischer, Handwerker und Händler, Kapitäne und viele andere mit Flechtwaren eindeckten. Auch Binsenmatten für die kalten Steinböden und Flechtwände zur Unterteilung der Wohnhöhlen wurden angeboten und meistens noch am selben Tag verkauft, oder in wenigen Fällen gegen Gebrauchsgegenstände, die man in Moorstadt nicht herstellen konnte, eingetauscht.
    Nun waren die Moorstädter reich. - Bis sie zur Stadtgrenze kamen! Dort warteten nämlich schon die Steuereintreiber mit den Tontafeln und kassierten den Zoll. - In jedem Jahr kam es dann zu herzzerreißenden Szenen. Die Moorstädter klagten über die schlechten Preise, die sie erzielt hatten und beweinten die Not ihrer Familien daheim. Man jammerte und zeterte und schrie durcheinander, dass es laut von den Klippen widerhallte, und viele Thedraner gingen jedes Jahr am Abend des Körbemarkts hinaus zur Stadtgrenze, um sich das Schauspiel anzusehen, wie die heulenden, fluchenden, schimpfenden und flehenden Moorstädter von den Steuereintreibern gerupft wurden. - Und wirklich gab es einiges zu sehen: Stoßen und Schieben, Drängen und Schubsen gehörten zur Tagesordnung. Es sah jedes Mal wie eine kleine Revolution aus; dabei wollten die armen Händler doch nur mit ihrem Geld nach Hause.
    Aber die Männer des Königs waren unerbittlich. Jeder Moorstädter wurde durchsucht, und wenn er nicht allzu widerspenstig wurde, begnügte man sich mit der Hälfte des vorgefundenen Geldes. Sicher wäre es zu weiteren Ausschreitungen gekommen, aber an diesen speziellen Abenden wurden alle dienstfreien Stadtwachen zur Zollstation kommandiert, und die Spitzen ihrer Piken zitterten nicht in der an Schmähungen reichen Luft.
    Kurz und gut: Das Verhältnis der Moormenschen zu Thedra im allgemeinen und den Steuereintreibern im besonderen, war nicht das beste. Und um der Wahrheit die Ehre zu geben: Es war sogar ganz besonders schlecht! So werkelten denn zur Winterszeit die Familien in ihren Hütten verbissen an ihren Flechtwaren, wohl wissend, dass sie jeden zweiten Handgriff nicht für sich selber taten, sondern um ihrem König die Kassen zu füllen.
    Jetzt im Winter lagen Brücke und Weg wie ausgestorben da. Jenseits des Flusses gab es für die Moorstädter nichts zu tun, und mit Besuch war auch nicht zu rechnen. - Aber selbst dann hätte man die Brücke sicher nicht vom Schnee befreit.

    Vorsichtig arbeitete sich die kleine Gestalt im Schein der Abendsonne durch den mannshohen Schnee. Ab und zu lösten sich unter den Schritten der jungen Frau einige überhängende Schneewächten und fielen in das darunterliegende Flußbett. Es war ein gefährlicher Weg. - Die Brücke war kaum zwei Mannslängen breit und hatte kein Geländer. Der Schnee hatte sich wie ein runder Buckel auf die Planken gelegt und war mit einer dünnen Eiskruste überzogen. Zwar war die Brücke nicht sonderlich hoch; in nur gut drei Mannslängen Höhe zog sie sich weit über das flache, teilweise zugefrorene, Flußbett; aber dennoch hätte ein Sturz in das eisige Wasser den sicheren Tod bedeutet, denn die Eisränder in der Mitte des Stroms waren dünn und brüchig, so dass selbst der beste Schwimmer sich nicht hätte retten können.
    Teri hatte keine Zeit für solche Überlegungen. - Sie mußte Hilfe für Fakun holen! - Peinlich genau hielt sie sich in der Mitte des jungfräulichen Schneebuckels und brach mit ihrem Körper einen Gang durch die verharschte Oberfläche. Ab und zu hörte sie ein Knirschen und Knarren unter sich. Die Brückenkonstruktion stöhnte unter der gewaltigen Last, die auf ihr lag, und die Tragbalken preßten sich, unter den Schwingungen von Teris Schritten, noch tiefer in die Kerben der hölzernen Pfeiler. Teri kam sich vor wie eine Fliege auf einem zitternden

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