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Sturm ueber Thedra

Sturm ueber Thedra

Titel: Sturm ueber Thedra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Stuhr
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stoppte den Hieb erst wenige Fingerbreit, bevor er den Mann traf.
    Der Mann aus Ceon reagierte nicht.
    "Ha!", triumphierte der Betrunkene. "Hab ich's doch geahnt! - Blind wie ein Maulwurf ist der Kerl!" Mit einer wegwerfenden Handbewegung wandte er sich ab und kehrte in die Gaststube zurück. Halb zornig, halb belustigt vor sich hinbrabbelnd durchquerte er den Raum, setzte sich wieder auf seinen Platz und schenkte sich aus einem irdenen Krug neu ein.
    Draußen versetzte der wütende Anbieter dem Blinden, der immer noch gleichmütig dastand, einen groben Stoß. Dann nahm er ihn am Arm und führte ihn über die Straße. Vor einem anderen Gasthaus hielten die beiden an, und wieder ließ der Herr seinen Sklaven vor der Tür stehen, während er selbst in das Haus hineinging. Teri konnte sich denken, was er dort vorhatte.
    Teri biss noch einmal von ihrem Fleisch ab und kaute lustlos auf dem Brocken herum. Der Appetit war ihr gründlich vergangen. - Immer mußte sie daran denken, was nun wohl aus dem blinden Alten werden mochte. Nach einer Weile schluckte sie den Bissen krampfhaft würgend herunter und legte das restliche Fleisch aus der Hand. Der alte Mann tat ihr unendlich Leid. Wieder sah sie wie gebannt aus dem Fenster. Der Alte stand immer noch vor dem Gasthaus und wartete darauf, dass sich ein Käufer seiner erbarme. Wie oft mochte er den Tag schon verflucht haben, an dem er seine Freiheit verlor?
    Teris Gedanken drehten sich in rasendem Wirbel und setzten sich zu immer neuen Bildern des Schreckens zusammen. - Wie leicht hätte sie selbst im Hafen von Tigan als Sklavin genommen werden können, als ihrer Stiefeltern verhaftet worden waren und der Hafenmeister ihr Geld stahl. Hätte sich der Kapitän der `Sesiol' wirklich widersetzen können, wenn der Mann die Herausgabe des blonden Kindes gefordert hätte? Teri hatte keine Ahnung, ob die Tiganer Sklaven hielten, aber allein der Gedanke daran jagte ihr einen eisigen Schauer über den Rücken.
    "Man sollte so etwas nicht zulassen", sagte Teri mehr zu sich selbst, denn sie wußte, dass sie bei ihrem Begleiter keine Zustimmung finden würde.
    "Du hast Recht!", bestätigte Aganez zu ihrer Überraschung. Offenbar hatte er ihre Blicke verfolgt und ihre Gedanken erraten. "Aber es ist nötig, die Spione dingfest zu machen, damit die Geheimnisse der Zünfte gewahrt bleiben."
    "Es werden auch Unschuldige eingefangen", behauptete Teri, die sich plötzlich sehr genau an die Darstellung der Sklavenjagden erinnerte, die der Kapitän der `Sesiol' gegeben hatte. Plötzlich wußte sie, dass seine Erzählungen mehr als nur ein Körnchen Wahrheit enthalten hatten. - Dass die Scharleute wirklich Menschen raubten, um sie an den Meistbietenden zu verkaufen.
    "Dummes Zeug!" Das war alles, was Aganez dazu zu sagen hatte.

    Die erste Nacht hinter Wettergrube verbrachten Teri und Aganez in einem Holzfällerlager. Wie üblich war Aganez bis in die Nacht hinein gewandert, und hätten die zwei nicht das Licht eines Feuers durch die Bäume schimmern sehen, wäre er wahrscheinlich noch eine gute Weile weitermarschiert. Da sich nun aber ein vortreffliches Nachtlager förmlich anbot, bog er von der Straße ab und folgte dem Lichtschein.
    Mehr tastend als sehend bahnten sich Teri und Aganez ihren Weg durch das dichte Unterholz. Dünne Äste zerbrachen unter den Sohlen ihrer Stiefel und die Zweige der Büsche strichen schabend an ihrer Kleidung entlang. Nur noch wenige Schritte waren es bis zum Lichtkreis, als ihnen plötzlich ein Mann entgegentrat, der kaum größer war als Teri.
    "Wartet!", gebot der Fremde. "Dies ist ein neues Lager. - Ich muß zuerst meine Wahl treffen."
    "Was sind das für Sitten?", begehrte Aganez auf. "Seit wann herrscht an den Feuern Estadors keine Gastfreundschaft mehr?"
    "Zuerst du", bestimmte der Fremde, wobei er Teri freundlich zunickte. "Geh in das Lager, dann kann dein Begleiter dir folgen."
    "Was sind das für Sitten, habe ich gefragt?", ereiferte sich Aganez. Wird hier Frauen erlaubt, was man Männern verweigert? - Muß man die Haut eines Pfirsichs haben, um dir willkommen zu sein?"
    "Auch allein wärest du mir willkommen gewesen." Der kleine Mann verbeugte sich leicht vor Aganez. "Aber wenn ich schon die Auswahl habe, entscheide ich zum Besten des Lagers."
    "Wie bitte?" Teri verstand nicht ganz, worauf die Sache hinauslaufen sollte.
    "Der erste Gast, der in ein neues Lager kommt, prägt das ganze Jahr", behauptete der kleine Mann. "Geh an das Feuer und wirf einen Ast

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