Sturm ueber Thedra
Plötzlich, viel zu schnell, stand sie dann vor der Türöffnung der finsteren Kammer und wußte nicht, was sie sagen sollte.
"Bist du die Hüterin?", kam eine dünne Greisenstimme aus der Ecke, in der Teri das Bett vermutete. "Ist es schon so weit?" Ein leises Schnüffeln ertönte.
Teri war irritiert. Der Mann hörte sich an, als könne er keine zehn Schritte weit laufen, ohne zusammenzubrechen. Das sollte ihr Helfer sein? - Der Mann hörte sich an, als brauche er selbst Hilfe. "Ich bin Teri, Scharfrau von Thedra!" Teris Stimme war laut und klar. "Ich komme, um den Alten vom Berg zu treffen."
"Das bin ich", ächzte das schwache Gespenst auf dem Bett. "Warte unten auf mich."
"Du kennst den Weg zur schlafenden Armee?", wollte Teri wissen. - Das war überhaupt das Einzige, was sie interessierte.
"Schweig! - Warte unten auf mich, sage ich! - Ich bin gleich so weit!" Wieder drang dieses Schnüffeln aus dem Dunkel.
Teri hob resignierend die Schultern und wandte sich ab. Polternd stieg sie die Treppe hinunter und setzte sich zu Fakun an den Tisch. Es war an der Zeit das Kind zu füttern, also schob sie Scharjacke und Unterwäsche zur Seite, legte Fe an die Brust und ließ die Haut sacht über die Lippen des Kindes streichen. Gierig schnappte das kleine Mündchen nach der dunklen Brustwarze, und sofort begann Fe zu trinken. Der Wirt bracht etwas Brot und Speck an den Tisch und Fakun schnitt kleine Stücke von beidem ab. Er selbst begann allerdings erst zu essen, nachdem er Teri einen kleinen Bissen in den Mund geschoben hatte.
Augenblicke später kam Aganez die Treppe heruntergestürmt wie ein junger Mann, der zu seiner Liebsten eilt. Nichts deutete darauf hin, dass der Eigentümer der schwächlichen Stimme und dieser vitale Mann in dem wehenden Umhang ein und dieselbe Person waren. "Gib mir zu essen!", forderte er vom Wirt. "Was ist das denn?", wandte er sich dann Teri zu, wobei er fragend auf Fe blickte. "Du willst doch nicht etwa das Kind mitnehmen?"
"Unsere Tochter bleibt bei mir", antwortete Fakun schnell an Teris Stelle. Er hatte bemerkt, wie sich Teris Körper verkrampfte, und er kannte seine Frau gut genug, um zu wissen, dass ihr eine scharfe Antwort auf der Zunge lag.
"Gut!" Aganez nickte grimmig. "Wenn ich gegessen habe, brechen wir auf!"
"Wohin werden wir gehen?", fragte Teri den Alten mühsam beherrscht. Fe merkte, dass mit ihrer Mutter etwas nicht stimmte. Sie hörte kurz auf zu trinken und schaute Teri mit großen Augen an.
"Zunächst nach Wettergrube!" Aganez nahm sein Essen vom Wirt in Empfang. "Mehr brauchst du nicht zu wissen!"
" Ich wüßte aber gern, wohin du meine Frau zu führen gedenkst!" Nun war es an Fakun, ungehalten zu sein. "Ich denke, ich habe ein Recht zu wissen, wo ich sie finden kann!"
"Eine Scharfrau hat in erster Linie zu gehorchen!", stellte Aganez kategorisch fest. "Das hast du doch gewußt, bevor du dich mit ihr zusammengetan hast, junger Mann! - Außerdem kann ich dir selbst nicht sagen", fuhr er in freundlicherem Tonfall fort, "wohin die Suche uns führen wird. - Auf jeden Fall werden wir in das Große Gebirge gehen." Aganez hielt inne. Er wunderte sich selbst darüber, wie bereitwillig er Auskunft gab. Widerwillig mußte er sich eingestehen, dass der junge Mann ihm sympathisch war, und auch seine zukünftige Begleiterin gefiel ihm nicht schlecht.
"Du bist also Teri. Ich hoffe, dass du wieder bei Kräften bist."
"Ich kenne dich!" Teri schaute den Alten überlegend an. "Aber dein Name fällt mir nicht ein. - Wer bist du?"
"Nenn mich Zenaga! Ich bin Magier wie Jamik, den du ja kennst." Aganez schob sich einen Bissen in den Mund und schwieg.
Teri runzelte die Stirn. Der Name war ihr nicht bekannt - aber dieses Gesicht ... Sie war sich sicher, den Mann in Thedra unter anderem Namen kennen gelernt zu haben.
Fe hatte genug getrunken und war eingeschlafen. Teri ordnete ihre Kleidung und fing nun selbst an zu essen, aber Brot und Speck wollten nicht recht munden. Fakun hatte sein Frühstück inzwischen beendet und so erhob sich Teri von ihrem Platz. "Ich hole jetzt mein Bündel und komme gleich wieder her." Sie versuchte, ihrer Stimme einen festen Klang zu geben und sah Aganez in die Augen.
"Beeil dich", meinte der Magier nur und aß weiter, "wir haben einen weiten Weg." - Und dann geschah Aganez etwas, womit er selbst nie gerechnet hatte: Er sah dem Kind in das kleine, hübsche Gesicht, und plötzlich durchströmte ihn das Verlangen, freundlich zu sein, so stark, wie er es
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