Sturm ueber Thedra
beeindruckt, hielten sich in ihren Äußerungen aber zurück.
Teri verschwieg auch nicht, dass sie ihr Wohnrecht in der Stadt verloren hatte und fast ohne Mittel dastand. Lediglich das Angebot von Tees erwähnte sie nicht ausdrücklich. - Sollte Athan nur glauben, dass ihr ohne seine Hilfe eine Zukunft am Bettelstab bevorstand.
Als Teri geendet hatte, ertönte das erste Hornsignal der Verkünder. Sie würde bald aufbrechen müssen, um rechtzeitig ins Fremdenhaus zu gelangen.
Athan hatte noch nicht reagiert. Teri wurde nervös. - Wenn er sie jetzt einfach so gehen ließ, würde es keinen Sinn haben, ihn je wieder anzusprechen. - Und noch immer ließ der Obmann keine Reaktion erkennen.
"Ich muß gehen." Teri schämte sich, um einen Posten als Scharfrau gebeten zu haben, wie ein Bettler um Brot. Natürlich gab es keinen Weg! Selbst wenn Athan ihr hätte helfen wollen, er würde sich doch an das Gesetz halten müssen. Es gab keinen Weg! Teri hatte ja noch nicht einmal das Recht, sich Bürgerin von Thedra zu nennen. Im Fremdenhaus mußte sie übernachten, wenn sie sich nicht strafbar machen wollte.
Teri stand auf. "Danke für eure Gastfreundschaft. Danke, dass ihr mir zugehört habt." Höflich verbeugte sie sich vor Athan und seiner Frau und wandte sich zum Gehen.
Sie fühlte, wie Mut und Hoffnung sie verließen, und zum zweitenmal an diesem Tag stiegen ihr Tränen in die Augen. - Es beweint sich eben kein Schicksal so gut wie das eigene.
Teri beschloß blitzschnell, zum Abschied ein Bild des Jammers zu bieten und machte sich schnell ein paar trübe Gedanken. - Jetzt war alles verloren! Sie würde als Kannenmacherin ihr Leben im Formerfelsen verbringen. Ihre Haut würde bleich und ihre Augen würden trübe werden. Mit kalten, glitschigen Fingern würde sie Kanne um Kanne formen, bis ein gnädiger Tod sie endlich von ihren Qualen erlöste.
Es wirkte! - Auf ihrem Weg zur Tür mußte sie plötzlich tief und schluchzend Luft holen. Das Geräusch hing wie eine Anklage an den ungetreuen Obmann im Raum, der durch die Welt ging und kleinen Kindern leere Versprechungen machte. Es war tragisch! Es war dramatisch! - Es war eine tolle Vorstellung!
"Teri!"
Langsam, mit hängenden Schultern, drehte Teri sich um. Jetzt nur nicht übertreiben, was immer der Obmann auch sagen würde.
"Wieviel Geld hast du noch?"
"Acht", Teri mußte sich räuspern, "...acht Bronzestücke, Obmann."
"Gut!" Athan schien zufrieden. "Damit kommst du erstmal aus. - Komm übermorgen zur Zeit der Tagteilung zum Tor des Schwalbenhafens. Dort wirst du Bescheid erhalten. - Aber mach dir nicht zu große Hoffnungen. Ich habe da eine bestimmte Idee, aber ich will nichts ohne die anderen Kapitäne entscheiden."
"Übermorgen", wiederholte Teri mit leiser Stimme und einem scheuen Lächeln. "Ich werde dort sein." Dann ging sie und schloß leise die Tür hinter sich.
Auf dem Hauptgang des Königsfelsens nahm Teri sich noch zusammen, aber als sie die Wachen am Eingang passiert hatte, konnte sie nicht verhindern, dass ein kleines, freches Lächeln ihr Gesicht überzog. Sie ging schnell, wobei sich ab und zu ein kleiner Hopser in den Takt ihrer Schritte schlich. Als das zweite Hornsignal die Besucher der Stadt zum Fremdenhaus rief, hüpfte und lief sie schließlich ausgelassen durch die Straßen Thedras. - Sie hatte gewonnen! - Athan würde mit der Kapitänsversammlung über sie sprechen! Sie hatte gewonnen! - Athan würde sich für sie einsetzen! - Sie würde mit den Schiffen fliegen! - Ja, sie hatte wirklich gewonnen!
Außer Atem kam Teri im Fremdenhaus an. Mit hochrotem, stolzem Gesicht breitete sie ihr Lager aus. Sie konnte ihre Freude nicht verbergen. Leise summte sie vor sich hin und streichelte liebevoll über ihre Felldecke.
Manche ihrer Mitbewohner im Fremdenhaus sahen sich vielsagend an. Sie vermuteten, die junge Frau habe wohl gerade ein beglückendes, vielleicht sogar ihr erstes, Liebesabenteuer gehabt. - Sie hatten gar nicht so unrecht.
Der folgende Tag brachte Teri eine Reihe neuer Erkenntnisse.
Mangels besserer Beschäftigung schlief sie morgens, bis die Rufe eines Wanderhändlers sie weckten.
Nach einem ausgiebigen Frühstück aus ihren eigenen Beständen gab sie ihr Bündel der Wirtin einer Hafenschenke in Obhut und besuchte die Orte, die sie als Kind so gut gekannt hatte.
Wie grau und eng alles geworden war.
Seit über zwei Jahren hatte Teri sich an die Weite des offenen Meeres und die lichtdurchfluteten, großzügig angelegten
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