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Sturm ueber Thedra

Sturm ueber Thedra

Titel: Sturm ueber Thedra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Stuhr
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anderen Geschäfte in Thedra gehabt. Keine Fracht war gelöscht und keine Handelsware an Bord gebracht worden. Nur ein wenig frischen Proviant hatte der Kapitän von den Händlern auf dem Kai erstanden. Nachdem Teri von Bord war, war die `Sesiol' sofort mit der nächsten Flut wieder auf die Reise gegangen. Der einzige Sinn und Zweck ihres Abstechers nach Thedra war erfüllt gewesen. Teri war wieder zu Hause.
    Teri sog tief die frische Luft ein. Zu Hause! - Gestern war sie von Thedra enttäuscht gewesen. Hatte geglaubt, so etwas wie ein Zuhause könne es für sie hier nicht mehr geben. - Hatte gedacht, die Fliegenden Schiffe seien das einzige, was Thedra vor den anderen Städten des Kontinents auszeichne. - Doch sie hatte sich getäuscht.
    Je mehr sie sich in der Stadt umsah, je mehr sie zur Ruhe kam, umso deutlicher spürte sie, dass Thedra mehr war. - Dass es für sie mehr war!
    Langsam gewannen die grauen, engen Straßen und Gassen ihre alte Bedeutung zurück. - Kaum eine Stufe gab es in dieser Stadt, über die sie nicht schon hunderte von Malen gesprungen war. - Kaum eine Wohnhöhle, in die sie nicht wenigstens einmal neugierig hineingespäht hatte. - Hier hatte der Großvater ihr Geschichten aus seiner Scharzeit erzählt, und hier hatte sie ihren Eltern bei der Arbeit geholfen. - Hier hatte sie Lachen und Weinen, Freude und Trauer, Zorn und Versöhnung kennengelernt. - Und immer hatte Thedra sie beschützt, so wie es alle beschützte, die zwischen den Wohntürmen ihr Heimatrecht hatten.
    Teri begann, Thedra zu lieben. Hier kannte sie sich aus. - Hier gab es Gesetze, die die Menschen schützten. Hier brauchte man keine Angst vor Finderschiffen zu haben. Hier war man nicht fremden Hafenmeistern ausgesetzt, die Kindern das Geld stahlen und ihre Eltern ermordeten. Hier war das Leben einfach. Man mußte sich nur an die Gesetze halten und es würde einem gut gehen! Jetzt erst merkte Teri, wie müde sie war. - Wie erschöpft davon, sich immer wieder auf Fremdes, Unbekanntes einstellen zu müssen. Ein Wunsch breitete sich in ihr aus: Sie wollte sich am liebsten in eine dieser gemütlichen Wohnhöhlen verkriechen und nie wieder herauskommen. Wieder klein sein, Kind sein, beschützt von den steinernen Türmen der Stätte ihrer Kindheit! Teri liebte Thedra so sehr; wenn sie in diesem Moment jemand gefragt hätte, sie hätte geantwortet, dass sie für immer hierbleiben wolle. Für immer im Schutz dieser starken, freundlichen Stadt, die wie eine Großmutter liebevoll und betulich für die Ihren sorgte.
    "Bleib stehen, Fremde! - He, bleib stehen!"
    Teri fühlte sich nicht angesprochen. Gerade trieb sie in ihrer Wolke aus Wohlbehagen und Heimkehrerglück durch das Gewimmel des engen Marktplatzes, als zwei Männer der Stadtwache hinter ihr herkamen. Als sie auf den zweiten Anruf nicht reagierte, versetzte einer der beiden dem Bündel auf ihrer Schulter mit dem stumpfen Ende seiner Pike einen kleinen Stoß.
    "He, pass doch auf!" Teri wirbelte herum. Das Bündel kam ins Rutschen und fiel zu Boden. "Was soll das?"
    "Kontrolle", erwiderte der jüngere Stadtwächter gleichmütig. "Mach das Bündel auf."
    Teri wurde schlagartig klar, dass die Männer sie wegen ihres Gewandes aus Mittelwelt für eine Fremde hielten. "Ich bin Thedranerin!", gab sie mit stolz erhobenem Haupt bekannt.
    "Wie ist dein Name?"
    "Teri! Tochter der Former Ael und Erin!"
    "Zu welcher Zunft gehörst du? Wer ist dein Obmann?"
    "Ja, äh, ich bin gerade erst angekommen. Ich werde heute ..."
    "Mach jetzt dein Bündel auf!" Der Mann verlor die Geduld.
    "Aber ..." Ein kurzer, nicht sehr harter Stupser mit der Pike brachte Teri zum Schweigen. Voller Wut hockte sie sich auf das Pflaster und fetzte die Haltebänder von ihrem Gepäck.
    Die Umstehenden waren aufmerksam geworden. Jetzt umstanden sie die kleine Gruppe und schauten schwatzend zu, wie Teri ihr Bündel auseinanderrollte: "Hat die Wache wieder eine erwischt!" - "Schau mal, was die anhat!" - "Sieht fast aus, wie eine von uns!" - "Wo die wohl herkommt?" – „Ich hab sie gestern schon herumstreichen sehen! Ich hab ja gleich gesagt ...“
    Die Felldecke von Aska und Teris Schlafdecke lagen ausgebreitet auf dem Pflaster des Marktplatzes. Darauf ihre thedranischen Kinderkleider, von denen sie sich noch nicht hatte trennen wollen und ein Kamm, den ihr der Kapitän in Ago geschenkt hatte. Daneben standen ein Beutel aus grobem Tuch, gefüllt mit Trockenfleisch, Brot und Früchten, ebenfalls ein Geschenk des Kapitäns

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