Sturm ueber Thedra
entwickelt hatte, war ein seltsames Kribbeln in seinem Unterleib aufgetaucht, das sich jedes Mal verstärkte, wenn er an sein Vorhaben dachte. Es hatte sich so angefühlt, als würde eine große Spinne über seine nackte Haut kriechen. Llauk hatte dem keine große Beachtung geschenkt. Er hatte es für ein ganz normales Wundjucken gehalten, wie es eine heilende Verletzung manchmal so mit sich bringt.
Llauk wartete geduldig ab, bis die Gelegenheit günstig erschien. Szins Verhalten kam ihm dabei sehr entgegen. Der stumme Dramile schien von dem Erfolg seiner Strafaktion sehr überzeugt zu sein. Er verbarg sich nicht mehr vor Llauk, um diesen in Ungewißheit zu halten, sondern hatte sich einen festen überschaubaren Tagesablauf angewöhnt. Täglich verbrachte er geraume Zeit in den hinteren Räumen gewisser Hafenschenken. Er schien gut zu zahlen, denn immer wieder wurde er freundlich, ja demütig empfangen, wenn auch oftmals die Schmerzlaute der Frauen durch die dünnen Vorhänge bis in die Gaststube drangen.
Eines Tages hatte Llauk abgewartet, bis er sicher sein konnte, dass Szin für geraume Zeit beschäftigt war und war dann zum Stofflager geeilt. - Nur ein Ballen! - Einen kleinen Ballen nur wollte er verkaufen. - Zehn Bronzestücke würde ihm der bringen. Llauk war vor Gier und Vorfreude ganz aufgeregt gewesen. Endlich würde er wieder Geld haben! Ganze zehn Bronzestücke! Das verstärkte Kribbeln in seiner Lendengegend hatte er nicht beachtet.
Dann, als er den ersten Ballen aus dem Regal nehmen wollte, war es geschehen: Gerade hatte er den Stab umfaßt, der aus dem aufgerollten Stoff herausschaute, als er plötzlich zu seinem Entsetzen aus dem Nichts einen heftigen Schlag in den Magen erhielt. Keuchend taumelte er zurück und riß abwehrend die Arme hoch, denn er spürte, wie eine unsichtbare Hand sich auf seinen Nacken legte und mit unglaublicher Härte zugriff. Kein Laut kam über Llauks Lippen, als er mit weit aufgerissenen Augen bewegungsunfähig zusammenbrach. Wieder spürte er die tastenden Finger unter seiner Kleidung.
Llauk wollte schreien, doch die Stimme versagte. Er wollte fliehen, doch sein Körper gehorchte ihm nicht. Voller Grauen spürte er die Kälte des Stahls auf seiner Haut - und dann stach der Unsichtbare zu!
Nach diesem Erlebnis war Llauk in allem was er tat sehr vorsichtig geworden. Diesmal waren der Schmerz, dieses Meer, dieses Universum des Schmerzes zwar schneller abgeebbt, aber Llauk war es endgültig klar geworden, dass er gegen die Anweisungen der Dramilen überhaupt nicht mehr verstoßen konnte ! Er hatte natürlich, nachdem er aus seiner Ohnmacht erwacht war, keine Verletzung an seinem Körper feststellen können. Der Schmerz war aus ihm selbst gekommen; er war in Llauks Geist verankert - und wartete nur darauf, gerufen zu werden.
Szin hatte Llauk verhext! Der stumme Dramile hatte es nicht mehr nötig, seine Nächte am Hohlweg über der Stadt zu verbringen, und er brauchte auch Llauks Stoffballen nicht mehr zu zählen. Er hatte Llauk zu dessen eigenem Wächter gemacht. Jede Widersetzlichkeit des Stoffmachers hatte zur Folge, dass er Szins nächtlichen Angriff erneut erleben und durchleiden mußte. - Das also hatte Sed eb Rea gemeint, als er gesagt hatte, Szin verstünde es, Schmerzen zu bereiten, die man nie mehr vergaß.
Llauk hatte Angst. Angst vor seinen eigenen Gedanken! Als er erkannte, was der Dramile mit ihm gemacht hatte, war er vor lauter Wut auf den Gedanken verfallen, Szin umzubringen. Auch das hatte er teuer bezahlen müssen: Sofort war der `Unsichtbare' wieder über ihn hergefallen und hatte seinen Unterleib zerfleischt.
Seitdem hatte Llauk nur noch Angst. Angst vor Szin, vor Sed eb Rea und vor allen Dingen vor seiner eigenen Treulosigkeit. Er verbot sich jeden bösen Gedanken und jede Handlung, die seinen Herren vielleicht nicht hätte gefallen können. Wie ein dressierter Hund, der brav neben Bergen von verbotenem Fleisch hungert, befolgte Llauk die Befehle, die er von Sed eb Rea erhielt.
So hatte er für die Dramilen im Laufe der Zeit die Stärke der Stadtwache und ihre Quartiere ausgeforscht. Hatte herausbekommen, dass das Schutztor, mit dem der Hafenbereich nachts von der Stadt abgeriegelt wurde, nur von zwei Männern bewacht wurde und wo die dienstfreien Wachen schliefen.
Weiterhin hatte er sich auf Sed eb Reas Anordnung hin das Tor zum Schwalbenhafen genau angesehen. Dabei hatte er festgestellt, dass die Balken des Tores nur lächerlich dünn waren und
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