Sturm und Drang
Sarin einfach nur wie eine gnadenlose Killerin wirkt.
»Ich gehe los und suche den Ozeanischen Orkan. Zweifellos wolltest du ihn an die Orks verschachern, sobald du ihn gefunden hast. Das kannst du jetzt getrost vergessen.«
»Ich hätte ihn längst, wenn ich nicht krank geworden wäre«, krächzt sie.
»Davon träumst du wohl.«
»Ich habe dich schon häufiger überlistet.«
»Das sagst du. Und doch liegst du hier im Fieberwahn auf meiner Couch. Versuch doch, das zu überlisten.«
»Du redest Unsinn«, schnaubt Sarin.
»Unsinn? Wie wäre es denn damit: Ich arbeite jeden Tag und kämpfe für meine Stadt. Du bist ein Parasit, der ehrliche Menschen befällt und aussaugt. Klingt das sinnvoll für dich?«
Sarin tupft sich ihre schweißnasse Stirn ab. Offenbar hat das Fieber sie schlimm erwischt.
»Zwischen uns gibt es keinen Unterschied«, erklärt sie. »Wir sind beide leer. Ich fülle diese Leere mit Verbrechen, du füllst sie mit Rehragout und Bier.«
Das verwirrt mich.
»Du redest wirres Zeug, Sarin. Das muss am Fieber liegen. Wenn du wieder gesund bist, wird dir einfallen, wer von uns der wahrhaft aufrechte Bürger ist. Außerdem wirst du nicht lange Freude an deiner Gesundheit haben, wenn Makri sich erst mal mit dir beschäftigt.«
Sarin schnaubt höhnisch. »Wenn sie einen Funken Verstand besäße, hätte sie mich längst erledigt. Aber wenigstens ist ihr Leben nicht so leer wie das deine.«
»Ach nein?«
»Nein.«
»Was soll erfüllt daran sein, als Kellnerin zu arbeiten und seine Zeit damit zu verschwenden, diesem angeblichen Philosophen Sermonatius zu lauschen?«
»Du magst Sermonatius nicht?«, erkundigt sich Sarin.
»Nein.«
»Das zeigt nur, was für ein Narr du bist.«
Ich habe kein Interesse daran, weiter mit einer Frau zu plaudern, die eindeutig im Fieberwahn spricht, verlasse mein Büro durch die Außentür und versperre sie mit dem Schließbann. Dann haste ich die Stufen zum Quintessenzweg hinunter. Als ich die eisige Hauptstraße erreiche, wird mir klar, dass ich keine Ahnung habe, wonach ich eigentlich suche. Vielleicht nach Walen, aber ich habe bereits selbst die dunkelsten Gassen von Zwölf-Seen gründlich abgegrast und keinen Wal gefunden. Und wer vermag schon zu sagen, wo sich dieser Ozeanische Orkan befindet? Soweit ich weiß, wurde er Borinbax gestohlen, bevor Sarin ihn ermordet hat. Sonst hätte sie das Artefakt ja längst in ihrem Besitz und würde mich nicht nerven.
Eine Rotte von Soldaten marschiert vorbei. Sie sollen die Seebastionen verstärken. Jeder Mann trägt einen langen Speer und einen Schild über der Schulter. Mittlerweile kursiert überall in der Stadt das Gerücht, dass die Orks die Seebastionen niederreißen wollen, daher wird dieses Gebiet ständig verstärkt. Zitzerius hat neben mehr Truppen auch etliche Zauberer dorthin beordert. Selbst Kemlath Ork-Schlächter befehligt einen Abschnitt der Befestigungen. Kemlath wurde wegen seiner Verbrechen aus Turai verbannt, Verbrechen, die übrigens ich aufgeklärt habe, aber für die Dauer des Krieges hat man ihm Amnestie gewährt. Ich habe nichts dagegen. Die Stadt braucht die Dienste von jedem noch so miesen Bannwirker.
Ich gelange in die schmale Gasse, wo Makri und ich auf Marizaz gestoßen sind, den orkischen Attentäter. Das war wirklich eine merkwürdige Geschichte. Ich hätte den Vorfall genauer untersuchen sollen. Das hätte ich auch getan, wenn ich nicht damit beschäftigt gewesen wäre, Geld aufzutreiben und mich um die Kranken zu kümmern. Man kann mir kaum Nachlässigkeit vorwerfen, wenn es um Detektivarbeit geht. So wie sich im Moment die Fieberkranken in der Rächenden Axt stapeln, wäre jeder überlastet. Wieder schießt mir der Gedanke durch den Kopf, ob da nicht möglicherweise Hexerei im Spiel sein könnte. Lisutaris kann von mir aus das Gegenteil behaupten, bis sie schwarz wird, aber ich halte es nach wie vor für widernatürlich, dass jeder, der seinen Fuß in mein Büro setzt, anschließend sofort vom Fieber niedergestreckt wird. Das spottet jeder Logik.
Ich betrachte die Stelle, an der Makri Marizaz getötet hat. Mein Blick fällt auf einen winzigen Farbtupfer, der sich hell von dem gefrorenen Schlamm abhebt. Ich bücke mich und hebe ihn auf. Es sind ein paar rosa Stofffäden. Das ist ungewöhnlich. Rosa gefärbte Stoffe sind selten in ZwölfSeen. Die Farbe ist sehr teuer und muss aus dem Weiten Westen importiert werden. Oberklassefrauen protzen gern mit ihrem Reichtum, indem sie rosa Gewänder
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