Sturm und Drang
sorgen, dass sie gesund wird, damit sie die Orks bekämpfen kann! Hast du das schon vergessen?«
»Das Leben hält nicht stille, nur weil die Orks diese Stadt belagern!«, brülle ich zurück. »Alle Einwohner haben die Pflicht, wie gewohnt weiterzumachen. Das stärkt die Moral!«
»Kartenspiele fallen nicht unter die Kategorie ›wie gewohnt weitermachend‹«, protestiert Makri.
Wir werden von einer schwachen Bewegung auf dem Bett unterbrochen. Lisutaris hebt mühsam den Kopf.
»Ich gebe dir das Geld, wenn ihr mich einfach in Ruhe lasst!«, wispert sie.
»Nein, nicht…«, beginnt Makri.
»Abgemacht«, unterbreche ich sie geistesgegenwärtig. »Sehr fair von Euch, Lisutaris. Ich werde Euch nicht vergessen, wenn ich meine Gewinne zähle.«
Makri ist fuchsteufelswild. Ich trete rasch neben Lisutaris’ Bett. Die Zauberin hebt den Kopf ein paar Zentimeter.
»Wie viel brauchst du?«
»Gib es ihm nicht!«, empfiehlt ihr Makri.
Lisutaris rafft sich zu einem schwachen Lächeln auf. »Makri, Thraxas hat mich gepflegt. Das geht ihm so gegen die Natur, dass er eine Entschädigung für seine Mühe verdient hat. «
Sie deutet schwach mit der Hand auf ihren eleganten, bestickten Beutel, den ich ihr eiligst hole. Anschließend wühlt die Zauberin eine Weile darin herum. Es kostet sie viel Kraft, und ich fürchte schon, dass sie ohnmächtig werden könnte, bevor sie ihre Börse findet. Vermutlich muss ich in diesem Fall mit Makri kämpfen, damit ich das Geld bekomme.
Schließlich findet Lisutaris ihre Börse und öffnet sie mühsam.
»Wieviel ist drin?«
Ich werfe einen Blick hinein. Es sind sieben Münzen. Sieben silberne Fünfzig-Guran-Taler. Die sieht man in ZwölfSeen nicht allzu häufig.
»Dreihundertfünfzig Gurans.«
»Reicht das?«
»So gerade.«
Lisutaris gibt sie mir. Ich bin zutiefst gerührt. Lisutaris ist mit Sicherheit einer der feinsten Bürger, die Turai je hervorgebracht hat. Ich stopfe die Taler hastig in die Innentasche meines Wamses.
»Kann ich etwas für Euch tun?«, erkundige ich mich.
»Ja. Lasst mich in Ruhe, alle beide«, flüstert Lisutaris.
»Ganz genau, Ruhe ist genau das, was Ihr jetzt braucht.«
Ich wirble herum und sehe Makri an. »Du hast sie gehört. Absolute Ruhe. Sorg dafür, dass Lisutaris von jetzt an von niemandem mehr gestört wird.«
Ich ziehe mich hastig aus dem Schlafzimmer zurück. Diese erfolgreiche Operation entzückt mich. Ich habe jetzt vierhundertvierzig Gurans, also fehlen mir noch sechzig. Die treibe ich in den nächsten Stunden sicher auch noch auf. Ich schnalle mir gerade das Schwert um, als mir plötzlich eine ungebetene Inspiration kommt, den Ozeanischen Orkan betreffend. Im Moment sind mir solche Inspirationen eigentlich eher lästig. Ich bin mehr damit beschäftigt, das Geld für das extravagante Raffspiel morgen Abend aufzutreiben. Ich zögere. Soll ich den Musenkuss ignorieren oder mich später darum kümmern? Ich gehe zur Tür, drehe mich jedoch seufzend um. Es ist sinnlos. Ganz gleich, wie ich es versuche, ich kann eine Ermittlung einfach nicht links liegen lassen.
Ich gehe in mein Schlafzimmer. Makri sitzt neben Lisutaris’ Bett und will ihr gerade die Stirn abtupfen. Sie sieht mich wütend an.
»Ist das Geld schon alle?«
Ich würdige sie keines Blickes.
»Lisutaris, ich hatte gerade eine Eingebung.«
Lisutaris wendet mir ihr Gesicht zu. Sie sieht immer noch ziemlich krank aus. Das Fieber hat die Oberhexenmeisterin der Zaubererinnung wirklich übel erwischt. Ich kannte weit weniger gesunde Menschen, die sich erheblich schneller erholt haben.
»Was für eine Eingebung?«
»Gestern sind wir auf einen orkischen Attentäter gestoßen. Niemand weiß, wie er unentdeckt in die Stadt eindringen konnte. Habt Ihr dafür schon eine Erklärung?«
Die Zauberin schüttelt vorsichtig den Kopf. »Wir arbeiten noch daran«, erklärt sie.
»Bevor wir ihm begegneten, sind uns in der Nähe des Hafens einige Trauernde entgegengekommen. Zwei Männer und eine Frau. Zumindest habe ich Letztere für eine Frau gehalten. Sie trug einen Schleier. Jetzt frage ich mich, ob sich dahinter vielleicht Deeziz der Schleierhafte verborgen hat. «
Lisutaris starrt mich an. Sie starrt mich so lange an, dass mir Zweifel kommen, ob sie noch unter uns weilt. Schließlich lächelt sie beinahe unmerklich.
»Deeziz der Schleierhafte? Ich dachte, ich wäre krank. Du musst halluziniert haben!«
»Ich hatte keine Halluzinationen. Mir ist nichts Ungewöhnliches aufgefallen, nur
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