Sturm und Drang
tragen, in ZwölfSeen jedoch kann sich niemand so etwas leisten. Wie hat sich der Stoff wohl hierher verirrt? Soweit ich mich erinnern kann, trug Marizaz kein Rosa. Ich stopfe die Fäden in meine Tasche und sehe mich noch etwas um, werde aber nicht fündig. Schließlich kehre ich unverrichteter Dinge zur Rächenden Axt zurück. Mir fehlt eine erhellende Inspiration.
Hauptmann Rallig sitzt mit Moolifi an einem Tisch. Ich lehne seine Einladung ab, mich zu ihnen zu gesellen. Der Hauptmann ist zurzeit sehr großzügig, aber ich bin nicht in der Stimmung, die Vorzüge seiner Freundin zu bewundern. Es geht mir eher gegen den Strich, wie er hier herumhockt und sich amüsiert, während ich durch die kalten Straßen laufe und ermittle. Ich erkundige mich, wie es mit einer warmen Mahlzeit steht, und erfahre, dass Ghurd nach einer Aushilfsköchin geschickt hat. Bis dahin versucht er mit Dandelions Hilfe so etwas wie einen Eintopf zusammenzubrauen. Da mir Ghurds Mangel an kulinarischer Finesse bekannt ist, mache ich mir keine großen Hoffnungen. Es sei denn, diese Aushilfsköchin wäre eine Frau mit ungewöhnlichen Fähigkeiten, was ich eher bezweifeln möchte.
Meine Stimmung ist mittlerweile in den Keller gerutscht, und ich stampfe die Treppe hoch, um einen Blick in Makris Buch zu werfen. Leider ist es nicht mehr da. Ich werfe Marihana einen argwöhnischen Blick zu. Sie schlummert friedlich wie ein Baby und scheidet als Buchdiebin aus. Sollte jemand Makris Buch tatsächlich gestohlen haben, wird sie fuchsteufelswild werden und mich beschuldigen, nicht ordentlich genug darauf aufgepasst zu haben. Schließlich stecke ich meinen Kopf ins Schlafzimmer, falls Lisutaris das Buch zufällig haben sollte. Zu meiner Überraschung finde ich Makri, die auf dem Boden sitzt und das fragliche Buch liest. Sie blickt hoch, als ich hereinkomme, und sieht ertappt aus.
»Thraxas. Schon fertig mit deinen Ermittlungen?«
»Ich bin zurückgekommen, um noch ein bisschen zu recherchieren.«
Ich starre das Buch an.
»Und zwar zufällig in diesem Buch.«
Ich strecke die Hand aus.
»Das kriegst du jetzt nicht«, erklärt Makri.
»Was soll das denn heißen? Ich brauche es.«
»Ich auch.«
»Wofür?«
»Für… Studienzwecke.«
»Die Innungshochschule ist geschlossen.«
»Ich muss ein Seminar vorbereiten. Für nächstes Jahr. Über die Geschichte der Marine.«
Ich bedenke Makri mit einem vernichtenden Blick.
»Du bist eine schrecklich miese Lügnerin, Makri. Du musst ganz bestimmt kein Seminar vorbereiten. In dem Fall hättest du mir das Buch nämlich gar nicht erst geliehen.«
Ich gehe auf sie zu.
»Gib es mir!«
Makri springt auf.
»Verschwinde!«, befiehlt sie. »Ich brauche dieses Buch.«
»Du suchst nach Walen, stimmt’s?«, schreie ich sie an.
»Wale? Was für ein Unsinn! Warum sollte ich mich über Wale informieren?«
»Weil du dir Tanroses Gold unter den Nagel reißen willst! Wie hast du davon erfahren?«
»Ich weiß nicht, wovon du redest«, erwidert Makri nicht sonderlich überzeugend. Sie ist wirklich eine schlechte Lügnerin. Und gegen einen Meister dieser Kunst, wie ich es bin, steht sie vollkommen auf verlorenem Posten. Trotzdem scheint sie das Buch nicht kampflos hergeben zu wollen. Ich trete einen Schritt zurück und richte mich zu meiner imposanten Größe auf.
»Ich hätte so etwas von dir erwarten müssen. Kaum bin ich unterwegs und gehe meiner ehrlichen Arbeit nach, muss ich bei meiner Heimkehr feststellen, dass du mir in den Rücken fällst. «
»Niemand fällt dir in den Rücken. Und was willst du damit sagen, so etwas hättest du von mir erwarten müssen?«, will Makri wissen.
»Dein orkisches Blut. Man sollte nie einer Person mit dunkler Haut und spitzen Ohren trauen.«
Makri kneift die Augen zusammen. Wenn sie das macht, ähneln sie merkwürdigen schrägen Schlitzen. Ein weiteres Zeichen ihrer typisch orkischen Unzuverlässigkeit.
»Ich habe deine Ork-Beleidigungen satt!«, verkündet sie.
»Wie du meinst. Du kannst die Stadt jederzeit verlassen.« Ich meine es ernst. Wir starren uns einige Sekunden lang feindselig an.
»Wie hast du von dieser Wal-Geschichte erfahren?«, wiederhole ich meine Frage.
»Das wissen doch mittlerweile alle!«, fährt Makri mich an. »Georgius Drachentöter war da, als du unterwegs warst, und hat nach den Walen gefragt!«
»Georgius? Wie hat er das denn herausgefunden?«
»Dienstbotentratsch. Die Dienerin von Tanroses Mutter ist die Schwester der Köchin von
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