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Sturm

Sturm

Titel: Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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gekrochen, die Ana vorher nicht bemerkt hatte. Sie schwieg, wurde sich langsam der Situation bewusst, in der sie sich befand. Hier draußen zwischen den Hügeln gab es keine anderen Menschen, nur sie und einen Mann, dessen Namen sie bis vor kurzer Zeit noch nicht einmal gekannt hatte. Niemand war hier, der sie beschützen konnte, die Wachen, an deren Gegenwart sie sich so gewöhnt hatte, waren in der Festung zurückgeblieben, ob lebendig oder tot, wusste sie nicht. Überallhin hatten Wachen und Leibwächter sie begleitet, auf jedem Gang, sei er auch noch so kurz. Sie hatten Spiele gespielt, sie und ihr Bruder, hatten sich vor ihnen versteckt, aber man hatte sie stets nach kurzer Zeit gefunden.
    Die Erinnerung daran versetzte ihr einen Stich.
    »Wo ist Gerit?«, fragte sie. »Ist er …«
    Sie ließ den Satz unvollendet.
    »Er lebte, als wir die Festung verließen, Mefrouw.« Jonans Stimme klang immer noch kalt. Ana wünschte, sie hätte sein Gesicht sehen können, aber der Pfad war so schmal, dass sie nicht nebeneinander reiten konnten.
    »Du hast nicht versucht, ihn zu retten?«
    »Das war nicht möglich.«
    Sie wartete, aber Jonan entschuldigte sich weder dafür, noch erklärte er, weshalb das nicht möglich gewesen war. Unter anderen Umständen hätte Ana ihn wie jeden Dienstboten für seine Unverschämtheit zurechtgewiesen, aber das wagte sie nicht.
    Ich muss klug sein, dachte sie, klug und vorsichtig.
    Der Pfad wurde breiter, die Hügel niedriger. Sumpfiges Hochland breitete sich vor Ana aus. Es erstreckte sich nach Osten bis zum Meer, nach Norden bis zu den Bergen und nach Süden bis zu der Grenze nach Braekor. Im Sommer war das Hochland wegen der gewaltigen Mückenschwärme fast unpassierbar. Im Winter war es nur hoch in den Bergen kälter. Ana wusste das von den Reisen, die sie mit ihrer Familie nach Braekor unternommen hatte. Ihr Vater und Fürst Karral waren Freunde. Gewesen.
    »Wir sind tatsächlich hinter Nrje«, sagte sie leise. Jonan antwortete nicht. Er hatte sich im Sattel aufgerichtet und blickte auf die wogenden Gräser hinaus.
    »Jemand nähert sich.« Seine Worte knoteten ihren Magen zusammen. Sie sah sich um. Gras, Hügel, ein paar Felsen, nichts, wo man sich hätte verstecken können.
    »Runter von den Pferden.«
    Ana folgte der Anweisung, ohne nachzudenken. Sie streifte die Steigbügel ab und glitt vom Rücken der kleinen grauen Stute. Jonan nahm ihr die Zügel ab.
    »Schnell«, sagte er leise. »Reißt Grasbüschel aus. Wir müssen die Pferde mit Morast abreiben.«
    Ana nickte. Mit beiden Händen riss sie einige Büschel aus dem Boden und wischte damit durch den Schlamm. Hinter ihr schnaubten die Pferde kurz. Als sie sich umdrehte, lagen sie bereits auf der Seite. Jonan stemmte ein Bein gegen den Hals des Rappen.
    Ana drückte ihre Stute tiefer in den Schlamm. Das Tier hatte die Augen weit aufgerissen, wehrte sich aber nicht, als sie begann, es abzureiben. Der Schlamm war kalt und voller Eis. Anas Hände zitterten, ob vor Kälte oder Angst, konnte sie nicht sagen.
    »Das reicht«, sagte Jonan leise. »Passt auf Euer Pferd auf. Es darf nicht aufstehen.«
    Er legte sich auf die Schulter seines Pferdes. Ana folgte seinem Beispiel. Sie spürte den warmen Pferdekörper. Atem stieg dampfend aus den Nüstern auf. Ana fragte sich, was passieren würde, wenn es wieherte, aber sie wagte es nicht, diese Frage Jonan zu stellen. Stumm wartete sie.
    In einiger Entfernung hörte sie dumpfen, nassen Hufschlag. Er stammte von mehreren Pferden, drei vielleicht, oder vier. Die Geräusche kamen näher.
    »Seid ganz still und bewegt Euch nicht«, flüsterte Jonan. Ana presste den Kopf gegen die Pferdeschulter. Sie hörte das Herz des Tiers schlagen. Das Gras rund um sie herum stand hoch und dicht. Neben ihr legte Jonan eine Hand auf die Klinge an seiner Hüfte.
    Der Hufschlag war jetzt ganz nah. Ana hörte keine Stimmen, nur das Schnauben der Pferde. Durch das Gras sah sie schlammbedeckte Läufe und Lederstiefel, die in Steigbügeln steckten.
    Sind das etwa Soldaten?, fragte sie sich. Der Gedanke brachte Hoffnung mit sich. Jonan hatte behauptet, fremde Patrouillen würden nach ihr suchen, aber was wäre, wenn es doch die Soldaten ihres Vaters waren? Wäre es nicht möglich, dass Jonan sie entführt hatte, vielleicht betäubt mit einem Sud aus Teufelspilz? Sie hatte doch nur sein Wort dafür, dass ihre Eltern ermordet worden waren. Gesehen hatte sie es nicht. Und sie hatte auch die Kreaturen nicht gesehen, vor

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