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Sturm

Sturm

Titel: Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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beiseite, nahm eine Kerze vom Tisch und stand auf. »Ich kenne die Somerstorms. Sie haben mal in meiner alten Garnison übernachtet.«
    Er ging auf Ana zu und hielt die Kerze unter ihr Gesicht. Er kniff die Augen zusammen, so als könne er sie nicht richtig sehen, obwohl sie direkt vor ihm stand. Nach einem Moment nickte e.
    »Ja, sie ist es.«
    Er wandte sich ab und ging zurück zum Tisch. Lazzu spuckte auf den Boden. »Du bist fast blind, Rink. Du siehst noch nicht mal dein Pferd, wenn du draufsitzt. Erzähl hier keinen Scheiß.«
    Der alte Mann hob die Schultern. »Wegen mir. Warten wir auf den Leutnant. Er kennt sie auch, aber wenn er sie mitnimmt, streicht er sich die Belohnung ein, und wir gehen leer aus.«
    »Was für eine Belohnung?«, fragte Ana. Die Männer ignorierten sie.
    Lazzu setzte sich auf einen der Holzstühle. Der zweite Soldat blieb neben Ana stehen. Sie bemerkte auf einmal, dass er zwischen ihr und der Tür stand.
    »Was für eine Belohnung?«, wiederholte sie.
    Niemand antwortete ihr.
    »Da hast du Recht.« Lazzu kratzte sich mit nachdenklichem Blick. »Aber wenn wir sie nach Bor bringen und sich herausstellt, dass sie lügt …«
    »Ich lüge nicht.« Ana ging einen Schritt auf den alten Mann zu. »Wir haben nur einmal in einer Garnison übernachtet, vor drei Wintern in Uval, als der Pass zugeschneit war. Man sagte uns, der Winter sei so hart, dass Männer auf ihren Pferden sitzend zu Eis erstarrt wären.«
    Rink nickte kauend. »Genau so war es. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen.«
    Er wandte sich an Lazzu. »Was sagst du jetzt?«
    Ana sah den Offizier mit angehaltenem Atem an. Es war unmöglich, dass er ihr jetzt nicht glaubte.
    »Halt sie fest«, sagte er.
    Mit einem Satz war der Soldat bei ihr. Ana fuhr herum, wollte ihm ausweichen, aber er schlug ihr mit der flachen Hand ins Gesicht. Sie strauchelte. Der Schlag brannte auf ihrer Wange. Hände schlossen sich um ihre Arme und drückten sie nach hinten.
    »Was soll das?«, schrie sie. »Glaubt ihr mir denn immer noch nicht?«
    Lazzu stand auf. »Oh doch, wir glauben dir.«
    Er ging auf sie zu. Entsetzt sah Ana, wie sich seine Hand auf den Knauf des Dolches legte, der in seinem Gürtel steckte. »Du bist Ana von Somerstorm, und wir werden bald genug Gold haben, um uns aus diesem Scheiß hier freizukaufen.«
    »Was soll das heißen?« Ihre Stimme hatte jede Autorität verloren. Sie klang wie die eines kleinen Mädchens. Lazzu setzte zu einer Antwort an, aber Rink kam ihm zuvor.
    »Sie versteht es nicht«, sagte der alte Mann. Er stocherte in dem Eintopf herum, ohne etwas davon zu essen. »Sie versteht nicht, wieso jemand, der ihrer Familie in den Arsch gekrochen ist, auf einmal eine Belohnung auf ihren Kopf aussetzt.«
    Er schob den Teller mit angewidertem Blick beiseite und sah sie an. Sein Gesicht hatte einen seltsamen Ausdruck, wirkte traurig und schadenfroh zugleich.
    »Keiner kann die Somerstorms leiden«, sagte er zu Ana. »Wenn sie nicht allesamt Heuchler wären, würden sie Feiertage ausrufen und Freudenfeste, wegen dieser Geschichte in Somerstorm. Scheiß drauf, dass ein bisschen altes Blut dabei verschüttet wurde, Hauptsache, das Fürstentum ist ohne Erben. Wenn ihr alle krepiert seid, muss sich keiner mehr an Blutschwüre und Allianzen halten. Sie werden wie Hyänen über euren Reichtum herfallen, sobald sie die Festung zurückerobert haben. Und dann werden sie sich selbst zerfleischen, das ganze noble Pack.«
    Lazzu warf ihm einen nervösen Blick zu. »Pass auf, was du sagst. Du sprichst über unsere Herren.«
    Rink winkte ab. »Herren, die zu fein sind, ihre eigene Drecksarbeit zu erledigen. Karral sollte ihr den Dolch an die Kehle halten, nicht du.«
    »Er will, dass ihr mich umbringt?« Ana dachte an den jungen Prinzen, mit dem sie Hasen und Rehe gejagt hatte. »Das kann nicht sein. Ihr habt seine Befehle missverstanden. Karral und die Somerstorms sind Freunde.«
    »Karral und euer Gold sind Freunde. Du stehst zwischen den beiden.« Rink strich sich mit der Hand über sein faltiges Gesicht.
    »Mach ein Ende«, sagte er, »bevor ich noch länger darüber nachdenke und mir das Essen hochkommt.«
    Das war der Moment, in dem Ana begriff, dass es um ihr Leben ging. Kein Betteln würde helfen, kein Befehl. Sie nahm alles mit erschreckender Klarheit wahr. Die beiden Männer vor ihr, der eine mit abgewandtem Gesicht, der andere mit verkniffenem Mund und harten Augen. Das Geräusch der Klinge, die er aus dem Gürtel zog, der Druck

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